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Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Magén
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hätte. Doch andererseits, was würde mit uns passieren, wenn Gideon weiterhin das Leben betrachten und der Laden weiterhin Schulden anhäufen und der Bankautomat schließlich den Mund zumachen würde. Mein Bruder Jonathan wird sagen, du hast ein Diplom und einen Beruf, der Geld einbringt, geh und verdiene was. Er wird es aus Sorge und aus Liebe und aus der Sicherheit heraus sagen, dass der Heilige, gelobt sei er, dem hilft, dersich selbst hilft. Er ist zum Beispiel sicher, dass Gott sieht, dass er und Tamar sich selbst zu helfen versuchen, indem sie sich um ihre Fruchtbarkeit kümmern, und früher oder später wird er ihnen helfen. Wie kommt es, dass ich so selten an sie denke? Alle zwei Tage? Einmal in der Woche? Wie kommt es, dass ein fernstehender Nachbar mir öfter in den Kopf kommt als ein nahestehender Bruder? Am Abend sagte ich zu Nadav, die hohen Feiertage, diese furchtbaren Tage, kommen näher, und wir werden zum Neujahrsfest zu Jonathan und Tamar fahren. Er fragte, ob die Tage wegen der Anschläge furchtbar seien und ob man an Neujahr Staub von den Schuhen wischen dürfe, und obwohl er sich freute, war er traurig. Er hatte keine Geschwister, und Jonathan und Tamar hatten keine Kinder, was sollte er dort zwei Tage lang anfangen.
    Wir hatten ihm geschadet, wir hätten in unserem alten Leben bleiben sollen, wir hätten seine Kindheit nicht erschüttern dürfen, es hätte ihm gut getan, in dem Jugendbett zu schlafen, das wir für ihn gekauft hatten, als er drei war und ich schwanger, aber ohne Erfolg, es hätte ihm gut getan, vor dem Fenster zu schlafen, dessen Dunkelheit ihm vertraut war. Wenn wir jetzt dorthin zurückkehren wollten, würden wir es nicht können, dort wohnte ein anderer Mann mit den Augen eines Menschen, den man in den Arsch getreten hat, und sein Vertrag galt für ein Jahr, und ein Jahr – du lieber Gott, was konnte in einem Jahr alles passieren. Nadav fragte, wann sein Vater endlich mit dem Fischen aufhören und zurückkommen würde. Ich schlug ihm ein Lagerfeuer im Hof vor, wir könnten Kim einladen und Kartoffeln in der Glut garen. Er sagte, ein Lagerfeuer sei prima, und verzichtete auf seine Frage. Während ich noch darüber nachdachte, wie ich ihn aufbauen könnte,drückte woanders ein fremder Finger digitale Zeichen zu meinem Handy.
    »Spreche ich mit Gideons Frau? Hier ist Nadja, hören Sie, er, wie soll ich es sagen, er ist nicht gesund, er hat viel geschlafen, wie sagt man das, er …«
    »Was ist mit ihm?«
    »Er liegt im Krankenhaus.«
    »Was ist passiert, was für ein Krankenhaus, können Sie …«, fragte ich.
    »Er war im Krankenhaus in Eilat, jetzt wird er mit einem Krankenwagen zu einer Klinik gefahren, die eine neurologische Abteilung hat, ich glaube, man bringt ihn nach Be’er Sheva.«
    Das Handy, das plötzlich Nachrichten übermittelt hatte, hörte damit auf, das Gespräch wurde unterbrochen. War er bei Bewusstsein? Ohne Bewusstsein? Vielleicht eine Migräne auf Stufe sieben auf der Migräne-Richterskala, vielleicht eine schwere Grippe, Fieber, Hirnhautentzündung, kein Stress, heutzutage gibt es gute Antibiotika … Ich zog mich um, zweimal erwischte ich den falschen Knopf und fing neu an, der Junge stopfte seinen Pyjama in seinen kleinen Rucksack, die Zahnbürste, einen Kamm, ein kleines Handtuch. »Und du glaubst, dass man bei Kim zu Hause nachts das Licht anlässt? Hat Papas Krankenwagen die Sirene an? Wird Papa sterben?«
    Maja-Mirjam sagte: »Klar, natürlich, lass ihn bei uns, mach dir keine Sorgen, Hauptsache, dein Mann wird wieder gesund, fahr vorsichtig.«
    Der Junge stand mit seinem Rucksack in der weitläufigen Diele zwischen dem Wohnzimmer und der Küche von Maja-Mirjam. »Mama, glaubst du, dass … Mama, kommst du morgen früh wieder zurück?«
    Kim tauchte hinter ihm auf. »Los, komm schon, spielen wir, dass ich ein Seeräuber bin …«
    »Was soll ich sagen, hoffentlich geht alles gut«, sagte Maja-Mirjam an der Tür, sie stand da und starrte in die Dunkelheit, bis der Mazda anfuhr, und vielleicht stand sie auch danach noch dort.

7
    »Zimmer acht«, sagte die Schwester auf der neurologischen Station und deutete mit einer Kinnbewegung in die Richtung, sie hielt in ihrer Beschäftigung inne und musterte mich, als hätte ich etwas an mir, das die Diagnose unterstützte und wahrscheinlich machte. Obwohl es schon Nacht war und die Zimmer dunkel, sagte sie nicht, dass ich die Ruhe der Kranken störte, ich wusste nicht, warum sie nichts sagte und warum

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