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Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Magén
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verdeckte und den Supermarkt verschluckte, als hörte die Welt vor dem Laden auf und als begänne das Weltall direkt hinter den mageren Bäumen der Stadtverwaltung. Die Welt sah aus, als stünde ihr im nächsten Moment ein großes Drama bevor, als wäre Gott auf dem Weg in die Atmosphäre und als wirbelten die Räder seiner Kutsche Staub auf. Vermutlich stand auch der Alte gespannt an seinem Fenster, schaute den Himmel an und wartete. Ich muss ihn warnen, dass er schnell die Schuhe versteckt, denn dieser Amos hat geschworen, wenn es nicht im Guten gehe, dann eben im Bösen. Wenn er in seinem Haus kein Versteck für die Schuhe findet, werde ich ihm meinen Stauboden anbieten. Wer weiß, vielleicht hört er nachts den kleinen Schuhen zu, drückt sie an seine Ohren wie zwei Muscheln und lauscht dem Echo der zerbröckelnden Knochen. Der Staub stand in der Luft, kein Wind trug ihn fort, und wenn er hier schon so dicht war, wie war er dann im Negev? Was sah man aus dem Krankenhausfenster? Vielleicht war das private Ende der Kranken zu vernachlässigen gegen das allgemeine Ende, das sich vor dem Fenster abspielte.
    Auch im Kindergarten hatte man alle Schafe in den Stall gebracht, der Hof war leer, die Kinder hatten sich im Haus versammelt, mein Junge saß an einem kleinen Tisch und malte einen Vogel und streute graue Bleistiftpunkte um ihn herum.
    »Hast du den Staub gemalt?«
    »Wieso Staub. Das sind Körner, ich male dem Vogel etwas zu essen.« Er hob die Augen nicht zu mir, sondern fuhr mit den dichten Bleistiftpunkten fort. »Ist Papa gesund geworden?« Er stach mit der Bleistiftspitze auf das Blatt ein und füllte die Scheune des Vogels.
    »Es geht ihm schon besser.«
    »Aber ist er gesund?« Er stach in den Vogel und füllte ihn mit Punkten, bohrte mit dem Bleistift Löcher in das Blatt Papier.
    »Der Vogel wird durch das Loch wegfliegen.«
    »Der Vogel ist schon tot, siehst du das nicht? Wann kommt Papa nach Hause?«
    Ich sagte, bald, so Gott will, er müsse sich noch ein bisschen erholen  … Der Junge griff nach seinem Brotbeutel, er suchte nach etwas, um sich zu trösten, und fragte, wann Madonna zu uns komme. Wir verließen den Kindergarten, und die Staubwolke ließ ihn vergessen, was er gefragt hatte, er kniff die Augen zu und machte sie wieder auf. »Schau nur, man sieht gar nichts.« Er gab mir die Hand und seine Finger klammerten sich so fest wie möglich an meine.
    Der Alte stand nicht an seinem Fenster, sein Rollladen war ganz heruntergelassen, als habe er sich auf Befehl der Stadtverwaltung eingesperrt, die Fenster ohne Rollladen waren geschlossen und verriegelt wie bei einem verlassenen Haus. Der Alte verrammelte sich vor den Zeichen Gottes, verbot dem von seinem Gefährt aufgewirbelten Staub, insHaus zu dringen. Wodka hatte sich auf der Fußmatte vor der Haustür zusammengerollt, den Kopf auf den angezogenen Pfoten, hatte sich, bis die Gefahr vorbei war, so klein wie möglich gemacht. Als er uns sah, wusste er nicht, was tun vor Freude, er bellte und kugelte sich und folgte uns ins Haus, lief dem Jungen hinterher zur Toilette. Die Dunkelheit senkte sich, und im Haus des Alten wurde kein Licht angemacht. Ich sagte zu dem Jungen: »Herr Levi ist bestimmt eingeschlafen«, und der Junge lachte. »Nur Babys gehen so früh schlafen.« Ein weißer Blitz flammte auf, und heftiger Donner rollte hinter ihm her aus dem Wald, der Junge und der Hund drückten sich an mich, das Licht erlosch für einen Moment, ging wieder an, Blitze und Donner folgten jetzt aufeinander, drängten sich aus den Öffnungen des Himmels, stürzten herunter wie Fallschirmspringer aus einer Flugzeugtür, sanken auf den Wald und auf das Dorf, und Nadav wollte, dass sie aufhörten, und zugleich wollte er, dass sie fortfuhren.
    »Der Hausbesitzer ist verrückt geworden«, sagte ich.
    »Aber Mama, gerade hast du noch gesagt, er ist eingeschlafen.«
    »Ich habe den Besitzer der Welt gemeint, Kind.« Zur Sicherheit gab ich ihm die Hand.
    Wodka verkroch sich unter dem Küchentisch und bellte sich die Seele aus dem Leib. Und dann, mit einem Schlag, rissen die Ränder der Wolke auf, die den Himmel verdunkelte, und Regen ergoss sich, eine Überschwemmung aus fernen Orten, eine Überschwemmung, die sich im Ziel und der Adresse geirrt hatte und ein paar Haltestellen zu früh ausgestiegen war. Der Junge erschrak vom Lärm der Welt, vom Wasser, das auf uns niederging, und hielt sich die Ohren zu, der Hund senkte den Kopf, drückte seineSchnauze auf den

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