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Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Magén
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Boden und zitterte. Wir hatten Elul, die Tage waren nicht furchtbar, Gott schüttelte die Weltkugel, schickte Erinnerungen an alle, die es nötig hatten, eine letzte Warnung vor dem Ausschalten. Stille breitete sich aus, ebenso plötzlich wie der Lärm begonnen hatte. Der Himmel hatte sich mit einem Schlag entleert, und die Erdkugel organisierte sich aufs Neue, Wasser floss aus den Dachrinnen, tropfte, floss in die Gullys. Erst am nächsten Morgen sahen wir die vielen Kiefernzapfen, die durch den Wolkenbruch heruntergerissen worden waren und unseren Hof füllten. Aber am Abend vor jenem Morgen waren wir mit dem Erstaunen des Jungen und mit der Angst des Hundes beschäftigt. »Wenn es weiter so regnet, werden wir wie bei der Sintflut sterben«, sagte Nadav. Ich erinnerte ihn an den Regenbogen und an Gottes Verpflichtung, die er unterschrieben hatte. »Aber das ist lange her, und vielleicht hat er es inzwischen vergessen …« Er drückte die Stirn an die Scheibe des Fensters, das zur Straße ging, und schaute, ob das Wasser schon weg war, ob man die Straße und die Fundamente der Strommasten sah. Ich stand mit ihm am Fenster und sah, dass das Haus des Alten noch dunkel war. Alte Leute haben einen leichten Schlaf, wenn der Lärm der aufbrechenden Wolke ihn nicht geweckt hatte, was würde ihn wecken? Der Junge begleitete mich hinüber, um an seine Tür zu klopfen, Wodka, der noch aufgeregt und verschreckt war, kam, eng an uns gedrückt, ebenfalls mit, klopfte mit den Vorderpfoten gegen die Tür des Alten und zerkratzte sie mit seinen Krallen. Erst klopfte ich nur, dann wurde ich laut, und Nadav ballte die Hände und trommelte dumpfe Schläge, doch es kam keine Antwort. Ich bedeutete den beiden aufzuhören, vielleicht saß der Alte in seinem Bett, wollte gerade aufstehen und tastete mit den Füßennach seinen Hausschuhen, gleich würden wir seine Schritte Richtung Tür tapsen hören. Aber außer dem Gurgeln des Wassers in den Dachrinnen hörten wir nichts. Unser Klopfen hatte vielleicht den Schlaf unter seinen Lidern erzittern lassen, ihn aber nicht zerrissen, vermutlich döste er noch, wir würden noch einmal kratzen und schlagen, dann würde er bestimmt aufwachen. Aber auch die zweite Runde Lärm weckte, statt des Alten, nur Wodka und stachelte seinen Eifer an, er bellte, stürzte sich auf die Tür und versuchte mit aller Kraft sie zu zerstören.
    »Platz, Wodka«, befahl ich, »hör auf mit diesem blödsinnigen Eifer.« Der Mann war nicht zu Hause, oder es war ihm etwas passiert. Wodka gehorchte, er hörte auf und schaute mich an, als wollte er sagen: Und was machen wir jetzt? Er ließ ein schwaches Bellen hören, er hatte wohl verstanden, dass es sinnlos war, er senkte den Kopf und schnüffelte an der Schwelle des Alten. Wir gingen ins Haus zurück, der Junge war aufgeregt wegen allem, was in der letzten Stunde passiert war, der Hund nahm es nicht so ernst, was vorbei war, war vorbei, er zog es vor, draußen zu bleiben und die neuen Gerüche in der Erde zu erschnüffeln, die von der Überschwemmung angespült worden waren.
    »Herr Levi hat etwas verpasst, weil er den Wolkenbruch nicht gesehen hat«, sagte Nadav.
    Und was, wenn Herr Levi bereits alle Versäumnisse der Welt hinter sich gelassen hatte und in jene Welt gegangen war, in der man nichts verliert und nichts gewinnt? Wen sollte ich anrufen, Schoschana? Nein, sie würde sterben, und was könnte sie von Herzlija aus tun? Sollte ich beim Notruf anrufen? Bei der Polizei? Damit sie kommen und die Tür aufbrechen, vielleicht hatte er ja einen Schlaganfall erlitten und lag da, wo er hingestürzt war, vielleicht einenHerzinfarkt, Eile war geboten, vielleicht hatte er noch etwas zu verlieren und zu gewinnen.
    Der Junge wollte, dass wir seinen Vater anriefen und fragten, ob es auch bei ihm einen Wolkenbruch gegeben hatte, doch noch während er sprach, klingelte das Telefon.
    »Papa«, schrie Nadav und sprang auf. Ich gab ihm ein Zeichen, sich wieder hinzusetzen.
    »Hier spricht Levi. Ich bin nicht zu Hause. Ich komme heute Nacht nicht zurück, also haben Sie ein Auge auf das Haus.«
    »Geht es Ihnen gut?« Ich atmete auf, wie bei einer Sirene, die zur Entwarnung heult.
    »Was ist das für eine Frage, Sie hören mich doch, oder? Nun, höre ich mich krank an?« Er sagte, das sei alles nur wegen der Panik von diesem Doktor, zu dem er wegen seiner monatlichen Medikamente gegangen sei, der habe ihm ein EKG gemacht und den Papierstreifen betrachtet, der aus der Maschine

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