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Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Magén
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warf Schachteln mit Frühstücksflocken auf den Boden, deren Haltbarkeitsdatum abgelaufen war. Ihre schwarz angemalten Augen blickten forschend, suchten nach irgendwelchen Anzeichen, wer die Besucher geschickt hatte, das Finanzamt, die Polizei, das Sozialamt, das Jugendamt …
    »Das sind ihr Bruder und seine Frau, mach ihnen einen Kaffee«, sagte Amjad und kam hinter der Theke hervor und brachte Schemel aus dem Lager und eine Holzkiste als Tisch, damit wir zu dritt daran sitzen konnten. »Mach schon«, sagte er, und Madonnas dünne Gliedmaßen wanden sich, geschmeidig wie eine Katze kam sie die Leiter herunter, verschwand im Lager und kam mit dem Deckel eines Olivenfasses wieder, darauf drei Tassen Kaffee, die sie übertrieben theatralisch hinstellte, die schwarz angemalten Lippen zu einem Lachen verzogen, als wollte sie sagen, mach dir nichts draus, dass du sie bedienst, sie werden in diesem armseligen Laden stecken bleiben, aber nicht einmal Gott weiß, wohin du es noch schaffen wirst.
    »Du hast Fromme in der Familie? Was für eine unglaubliche Geschichte, er sieht überhaupt nicht aus, als wäre er dein Bruder.« Sie ging zurück zur Leiter, betrachtete uns von dort und machte sich wieder daran, die Frühstücksflocken zu sortieren. Ihr kleines T-Shirt rutschte mit ihren Händen, die sich auf dem obersten Fach zu schaffenmachten, nach oben und gab den Blick auf ihre schmalen Hüften frei.
    Jonathan wandte den Blick von ihr und fragte: »Was ist los, Schwester?« Tamars Augen folgten den Armen, die sich mit bedachtsamer Akrobatik bewegten. Ich berichtete ihnen von dem Königreich, das mein Mann suchte, und von den Eselinnen, die er gefunden hatte. Ich erzählte alles. Von den Fischen, dem Schweigen, den abgemagerten Armen, den Migräneanfällen, dem Koma, den Tabletten, dem Krankenhaus. Ich ließ nichts aus. Amjad entfernte sich, um nicht zuzuhören, und Madonna konnte es von ihrem Platz aus nicht hören, auch wenn sie es gewollt hätte. Jonathan schwieg, als ginge es um einen Toten, von dem man erzählt, was er in seinen letzten Stunden getan hatte. Ein jugendlicher Kopf tauchte in der Ladentür auf und rief herein: »Madonna, kannst du einen Moment kommen?«
    »Was ist? Siehst du nicht, dass ich arbeite?«, rief sie zurück. Eine Frau und zwei Kinder traten ein, hinter ihnen ein Arbeiter von der Müllabfuhr, und die kleine Gruppe ging zur Theke. Madonna gab ihnen Brote, Kaugummis, Zigaretten und Käse, Amjad tippte die Preise in die Kasse, die Schublade mit dem Wechselgeld ging auf. Ich schaute zu Jonathan, der unserem Vater immer ähnlicher wurde, ich wollte ihn beruhigen, nach all dem Bedrückenden, das ich ihnen erzählt hatte, ich legte die Hand auf seine Schulter und sagte: »Alles wird gut.« Ich hatte ihn nicht mehr berührt, seit wir zusammen Kissenschlachten veranstaltet und ich seine Schultern auf die Matratze gedrückt und geschrien hatte: »Ergibst du dich oder nicht?«, und er, der sich auf den Kampf gegen die Nazis vorbereitete, schrie: »Ich ergebe mich nicht«, befreite sich, stand auf und griff mich weiter mit Kissen an. Er war seither sehr gewachsen, seineKnochen waren kräftiger geworden, seine Schultern härter, ich wollte ihn daran erinnern, wie ich ihn einmal mit dem dicken Kissen unseres Vaters beworfen hatte, stattdessen sagte ich: »Es wird alles gut«, Worte, die immer im Mund sind, wie Spucke.
    »So Gott will«, sagte er und wich meiner Berührung aus.
    »Amia, wenn wir dir bei irgendetwas helfen können, musst du es sagen.« Er schaute mich mit den braungünen Augen unseres Vaters an.
    Tamar wandte den Blick von der Leiter und betrachtete ihre Sandalen. Sie dachte sich ihren Teil, sagte aber kein Wort. Erst als sie aufstanden, um zu gehen, fragte sie: »Sehen wir euch bei uns an Neujahr?«
    Ich begleitete sie hinaus, ich sagte mir, ich würde bis zur Bushaltestelle mit ihnen gehen und warten, bis sie einstiegen, ich würde Jonathans Schulter noch einmal heimlich berühren, aber statt zur Bushaltestelle zu gehen, blieben sie neben einem alten Mitsubishi stehen und Jonathan sagte: »Das ist unserer.« Er drückte auf den automatischen Türöffner und vier Lichter antworteten ihm. Ein Aufkleber auf der Rückscheibe verkündete, dass wir uns auf nichts verlassen könnten, außer auf unseren Vater im Himmel.
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte ich zu ihren lächelnden Spiegelbildern in der Autoscheibe.
    »Es gibt noch etwas Neues. Tamar ist schwanger.« Er legte eine Hand auf ihre

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