Wölfe der Nacht
Sonnenblende herunter, und die Schlüssel fallen zu Boden, und er schiebt Graham von seinem Schoß und tastet in der Dunkelheit zwischen seinen Füßen herum und schnappt sich den Schlüssel und schiebt ihn ins Zündschloss und schaut aus dem Fenster und sieht den Bär auf sie zuwanken.
Er dreht den Schlüssel, und der Motor springt dröhnend an. Er hat bereits mit schwerem Gerät gearbeitet, in der Firma seines Vaters. Das Licht ist schwach und die Instrumente ein bisschen anders als das, was er kennt, aber er identifiziert die Kontrollhebel für den Ausleger, den Baggereimer, die Schaufel. Er löst die Sicherungen und drückt den Hebel nach unten und die Maschine erwacht und schwingt Ausleger und Schaufel wie ein Skorpion seinen Schwanz.
Irgendetwas hat sich in ihm losgerissen. Wut. Er ist in einer Trance aus Wut. Er spürt sie sich in seinem Körper ausbreiten, ihn anfüllen, gegen seine Gelenke und seine Haut drücken. Sie findet ein Ventil in einem Schrei, der so wild ist, dass er von einem anderen zu kommen scheint, ohne Bezug zu dem, wozu er fähig ist, mächtig. Freude mischt sich in seine Raserei, eine starke Erregung.
Der Grizzly richtet sich auf, als die Schaufel ihn trifft – das ganze Fahrzeug schwankt –, dann taumelt der Bär rückwärts und schwankt am Klippenrand, greift mit den Vorderpranken nach der dunklen Luft, schwingt wild die Arme, um sein Gleichgewicht zu finden. Und dann ist er verschwunden.
Justin stellt sich vor, wie dem Bären der Wind in den Ohren dröhnt. Er stellt sich vor, wie sein gigantischer Körper sich in der Luft dreht und dreht, während er auf den Grund des Canyons zustürzt, so dass er in einem Augenblick den Mond im Himmel sieht und im nächsten sein Spiegelbild im schnell näherkommenden Fluss. Er stellt sich vor, wie diese ganze Masse weichen Fells sich scheinbar zu einer Faust zusammenballt und die Wirbelsäule auf dem Wasser bricht. Er stellt sich vor, wie das Wasser den Bären davonreißt, eine große, dunkle Gestalt, die im dunklen Nichts verschwindet.
Vielleicht eine Sekunde vergeht, bevor er den Motor ausschaltet und seinen Sohn wieder auf seinen Schoß zieht und seine Arme fest um ihn schlingt. So bleiben sie – halb schlafend, halb wachend –, bis die Dunkelheit sich wie ein Vorhang langsam hebt und die Sonne die Sterne wegspült und den Canyon rot färbt, eine Farbe, die in seiner gemarterten Fantasie aussieht wie Blut.
BRIAN
Brian wacht von einem erregten Murmeln auf – eine Stimme, wie er merkt, am Rand der Panik. Nicht aus einem Fernseher oder einem Radio oder von einem verärgerten Sunniten, der die Arme hochreißt und sich den Bart rauft und einen Schuh wirft –, obwohl er benebelt all diese Möglichkeiten in Betracht zieht –, sondern von der Frau, Karen. Er sitzt aufrecht in der Dunkelheit, die Knie an die Brust gedrückt, die Arme um die Beine geschlungen, eine Kugel. Wer bin ich, denkt er. Nein, nicht wer – das ist das falsche Wort. Wo meint er. Sein Verstand ist so weit weg, dass er die richtigen Worte nicht finden kann. Wo bin ich?
Seine Augen sind schon eine Weile offen, aber erst als ihre Stimme anschwillt – »Hören Sie mir zu? Kapieren Sie die Wörter, die mir aus dem Mund kommen?«, sagt sie –, blinzelt er die Reste seines Traums weg und bemerkt die Kleidungsstücke, die im Dunkeln um ihn herumhängen, und begreift, wo er ist, und spürt eine elende Panik in sich aufsteigen. Er beugt sich erschrocken vor, durch das Rankengewirr der Hosenbeine und auf die Lichtschlitze zu, die durch die Schranktüren dringen. Bei der schnellen Bewegung wird ihm schwindelig, und in seiner Stirn breitet sich sternförmig ein Schmerz aus, der sich in die Zähne und die Arme entlang bis in die Finger vortastet. Sein Mund schmeckt metallisch. Seine Zunge ist eine vertrocknete Schnecke. Seine Haut, die so lange in Fell eingehüllt war, fühlt sich klebrig und wund an. Sein Schritt ist triefnass, und er riecht Pisse – er hat sich angepisst. Er atmet einmal tief durch und wartet, bis der Schmerz nachlässt, bevor er seine Augen an einen Schlitz zwischen zwei Türlamellen presst und ins Zimmer späht.
Sonnenlicht fällt durchs Fenster. Das Zimmer ist leer. Die Migräne hat ihn die ganze Nacht umgehauen, das wird ihm jetzt bewusst. Das passiert manchmal; Stunden, die in einem Nebel aus Schmerz vergehen. Und jetzt ist sie wach, und vielleicht sind ihr Mann und der Sohn zu Hause. Und jetzt sitzt er in der Falle.
Sein Blick wandert zur offenen Tür, von
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