Wölfe der Nacht
aber nur die Leere des Gangs, der sich bis zur Haustür erstreckt. Er denkt daran, wie er erst vor Kurzem auf der anderen Seite kauerte und ihr Schloss bearbeitete, sich einen Weg in ihr Leben erarbeitete. Jetzt geht er darauf zu, und dann hindurch, in die schmerzhafte Helligkeit des Tages, mit dem Wissen, dass es, wenn man in sich selbst hineinschaut, ein bisschen so ist, als würde man in ein Schloss schauen – man findet Dunkelheit und wirres Durcheinander.
Weg. Dorthin will er. Tief in den Wald hinein, weit entfernt vom Schein der Straßenlaternen und Fernseher, dem Blick menschlicher Augen. Sich die Weite des Walds vorzustellen beruhigt ihn etwas, gibt ihm wieder ein wenig Vertrauen zu sich selbst und seiner Fähigkeit zu leben.
Als er zwischen die Bäume taucht, als er tief gebückt vorwärtsschleicht und sich von seinen Händen wie von den Füßen führen lässt, weg von seinem Haus, weg von Bend, wird er zum Wald, was heißt, er muss nichts anderes mehr sein, ist unsichtbar, verschwunden.
EPILOG
Heute findet im Echo Canyon die Eröffnungsparty für die An lage statt, fast zwei Jahre nach Beginn der Arbeiten. Justin hat seinen Subaru gegen einen F-10 Pick-up getauscht, und darin fährt er jetzt dorthin, über die kurvige Straße durch die Ochocos, die so vertraut ist bis auf die schwarzen Kreuze der Telefonmasten, die, aneinandergereiht an durchhängenden Drähten in den Canyon taumeln. Auf dem Beifahrersitz sitzt sein Vater.
Man hat den Bären nie gefunden, aber man hat ihn gefunden. Eine Meile flussabwärts. Triefnass, dehydriert, lang hingestreckt auf einer Schlammbank. Ein Schlaganfall. Er hat ihn zerstört, ihn zu etwas nur halb Lebendigem gemacht.
Ein Teil von Justin hält es nicht aus, seinen Vater so zu sehen, wie er jetzt ist, schlaff und teigig, mit Sabber im Mundwinkel und einem nicht mehr kontrollierbaren Auge, das sich immer ins Weiße verdreht, als würde er etwas in seinem Schädel betrachten.
Doch ein anderer Teil von ihm fühlt sich heiter und gelassen, erleichtert, sogar ein bisschen triumphierend.
Ein Eisentor – das Metall zu Silhouetten von Wachteln, Elchen und Bäumen ausgeschnitten – hängt an der Haupteinfahrt, und kaum ist er hindurch, fangen die Luxus-Chalets an, jedes zurückgesetzt auf einem Grundstück von einem knappen halben Hektar.
»Da sind wir«, sagt Justin, und als Antwort sagt sein Vater nichts, hat seit zwei Jahren nichts mehr gesagt außer zu stöhnen oder feucht zu schmatzen. Sein mit dem Sicherheitsgurt fixierter Körper kippt in jeder Kurve zur Seite. Sein Gesicht ist ausdruckslos, als wäre dahinter niemand mehr vorhanden.
Die frisch asphaltierte Straße senkt sich hinunter in den Canyon, dessen Boden von allen Bäumen gesäubert und stattdessen überzogen wurde mit einem Teppich aus Fairways und Putting-Greens, deren Grün unnatürlich wirkt, wie etwas aus einer Flasche. Nylonwimpel flattern im Wind, ihre Spitzen zeigen die Windrichtung an, weisen den Weg vorbei an Sandbunkern und von Rohrkolben gesäumten Wasserlöchern, bis er schließlich den ersten Baum erreicht, neben dem sich das Hotel erhebt.
Es ist vier Etagen hoch und lang wie ein Fußballfeld, ein richtiges Schloss aus Eisen und Holzbalken, dessen Fertigstellung Hunderte von Männern und Tagen erforderte. Seit dem Schlaganfall hat die Firma seines Vaters sich aufgelöst, wie auch sein Vertrag mit Bobby Fremont.
Justin fragt sich, wie das Hotel ausgesehen hätte, wenn sein Vater es gebaut hätte. Wahrscheinlich wilder, splittriger und gröber behauen.
Rauch quillt aus einem Kamin aus Flusssteinen und der Wind drückt ihn nieder und breitet ihn als dunstige graue Schicht aus. Er stellt seinen Ford auf einem Parkplatz voller Autos ab. Von der Ladefläche holt er einen Rollstuhl und arretiert seine Bremsen und öffnet die Beifahrertür und öffnet den Sicherheitsgurt seines Vaters und sagt: »Okay, Dad. Runter mit dir.«
Sein Vater atmet mit einem wunden Rasseln. Ein Auge ist geschlossen und sein Mund hängt offen, und Justin nimmt ihn sanft in die Arme, als hätte er Angst, ihn zu zerbrechen, und hebt ihn dann aus dem Auto. In seinen Armen fühlt sein Vater sich an wie ein Nichts, wie in weiches Pergament gewickelte Stöcke. Er setzt ihn in den Rollstuhl, schnallt ihn fest und streicht ihm über die Haare, um sie zu ordnen. Das gute Auge seines Vaters mustert ihn streng – ein Glutnest in einem verlöschenden Feuer. Justin lächelt ihn an. Es ist ein merkwürdiges Lächeln, zugleich
Weitere Kostenlose Bücher