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Wölfe der Nacht

Wölfe der Nacht

Titel: Wölfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Percy
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»Immer schön, dich zu sehen. Komm mit rein und feiere mit uns.«
    »Ein bisschen später.«
    Ein Schwarm Krähen fliegt schreiend über Justins Kopf und lässt sich in den hohen Ästen eines entfernten Baums nieder. Bevor sie landen, huschen ihre Schatten über die weite Fläche grünen Rasens, und er denkt an die zahllosen Hände und Nägel und Bäume, die dieses menschliche Riff gebaut haben, und an den Wald, der abgetragen wurde, um Platz dafür zu schaffen. Er denkt daran, dass der Canyon einmal lebendig und mächtig war, jetzt nicht mehr. Dass ein Teil von ihm gefällt und umgegraben und besät und gedüngt wurde, dass alle Wildheit besiegt wurde und nun verschwunden ist, nur damit der Mensch, das größte Tier, leben und spielen kann.
    Er hat gemischte Gefühle deswegen. Er weiß, dass die Schönheit der Anlage aus den Ruinen der Wildnis entstanden ist, aber in diesen Ruinen findet er, wie auch in der Ruine seines Vaters, eine eigentümliche Befriedigung. Noch immer wacht er manchmal auf und glaubt, er ist wieder im Wald: Sein Wäschehaufen ist ein Felsbrocken, seine Zederntruhe ist ein Baumstumpf, sein Schrank eine Höhle, in der sich eine Kreatur versteckt, die nach ihm giert. Er beruhigt sein rasendes Herz – er fühlt sich ein wenig größer, stärker –, indem er sich vorstellt, dass die Bäume zu Stümpfen umgesägt wurden, um Platz für Sonnenlicht und grünes Gras zu schaffen.
    Mit dem Ärmel wischt er Sabber aus dem Mundwinkel seines Vaters. »Was hältst du davon, Dad?«, fragt er und betrachtet die Basaltwände, wie der Fels sich erhebt und um ihn wölbt. Sein Vater versteift sich und stöhnt und schwingt unbeholfen den Arm, dann erschlafft er wieder und richtet das gute Auge zum Himmel, in dem das Licht verlöscht. Justin sagt: »Zeit, nach Hause zu fahren«, doch bevor er die Griffe des Rollstuhls umklammert, bevor er ihn umdreht, um zum Hotel zurückzukehren, schaut er noch ein letztes Mal zu dem Wald hinüber, der den Fairway begrenzt, als suche er etwas zwischen den Bäumen, die wilden Überreste seines Vaters, vielleicht von ihnen dreien, die irgendwo da draußen um ein Lagerfeuer kauern oder über einen dunklen Pfad laufen.

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Die Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel
The Wilding bei Graywolf Press, Minneapolis.
    1. Auflage
© 2010 by Benjamin Percy
© 2013 der deutschsprachigen Ausgabe
by Luchterhand Literaturverlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-641-09227-6

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