Wölfe der Nacht
Boo jagte ihm nach und stellte ihn.«
Erst köderte er Boo mit einem toten Vogel, dann mit einem lebendigen, lahmen Vogel. »Am Anfang bekam mein Hündchen Angst, als es plötzlich den Boden unter den Füßen verlor, aber ich stieg mit ihm in den Teich und zeigte ihm, wie sicher es ist, und jetzt kann er, bei Gott, kaum an einer Pfütze vorbeigehen, ohne gleich hineinspringen zu wollen.« Justin erinnert sich noch sehr gut, wie er ihn von einem Steg gestoßen und ihm befohlen hatte, sechzig Sekunden Wasser zu treten, dass er dabei so viel gelacht hatte, wie er es jetzt tut, während er seinen Hund liebevoll anschaut.
»Nein«, sagte er, als würde er auf ein Gespräch reagieren, an dem Justin gar nicht teilnimmt, »bei der Hirschjagd wird Boo uns keine große Hilfe sein, aber er ist ein guter Kamerad.«
Die dicht gedrängten grünen Umrisse der Ochocos vor ihnen werden größer, als sie durch Prineville und dann Mitchell und John Day kommen, und Justin hört weiter zu und sein Vater redet weiter, bis schließlich die weite Ferne, wo der Beifuß erst Lärchen und dann Kiefern weicht, zur nahen Ferne wird und stetig ansteigt und die Nadelbäume das Sonnenlicht zu Tümpeln filtern, die über den Highway spritzen. Wenigstens die Hitze ist verschwunden, und in der kühlen Bergluft ist atmen so erfrischend wie trinken.
Unter hohe Kiefern duckt sich ein Mini-Mart mit zwei verrosteten Benzinpumpen. Davor verkündet ein handgeschnitztes Schild in weißen Lettern: SPRIT & KÖDER . Genau wegen diesem Angebot hält Justin seit seiner Kindheit hier an. Sie biegen auf den Kiesparkplatz ein und parken vor einer Pumpe, an der ein dünner Mann in schmierigem Overall und einem sauberen weißen Paar Turnschuhen aus dem Billigmarkt steht. Justin summt schnell die Banjo-Melodie von Deliverance, bevor sein Vater sich aus dem Fenster lehnt und Volltanken mit Normalbenzin verlangt.
Der Mini-Mart ist eine windschiefe, baufällige Hütte aus grauem salzfarbenem Holz und Asphaltschindeln, die entweder gesprungen sind oder ganz fehlen. Im Fenster blinkt rot und weiß ein Budweiser-Neonschild. Auf der Veranda steht eine Indianerfigur mit Hakennase und Federschmuck, wie man sie früher vor Tabakwarengeschäften fand. Er starrt die Männer hölzern an, als sie die Stufen hinaufpoltern und unter der hängenden Braue eines Dachs durch die Tür gehen. Eine Glocke bimmelt, um ihr Eintreten zu verkünden, und sie bleiben kurz stehen und blinzeln, um sich in dem nur schwach erleuchteten Raum umzusehen.
Läden wie dieser haben einen bestimmten Geruch – eine Mischung aus Würmern, Tabak und Hydrauliköl –, der nicht unbedingt Justins Lieblingsgeruch ist, aber doch beinahe. Wie der Geruch von Cherry Coke oder eines Plastikspielzeugs frisch aus der Verpackung ist es der Geruch seiner Kindheit.
Der Mann hinter der Theke ist gebaut wie ein Arbeitspferd. Er ist um die dreißig Jahre alt, aber mit einem verwitterten Gesicht von zu viel Arbeit unter heißer Sonne, als Dachdecker oder Farmer oder Straßenarbeiter. Er trägt ein Hemd mit abgetrennten Ärmeln. An Armen und Schultern schwellen die Muskeln, während er, abwechselnd links und rechts, Hanteln stemmt. Ein Hula-Mädchen scheint sich zu bewegen, wenn der Muskel unter ihr sich bewegt, es sieht aus, als würde sie auf seinem Deltamuskel die Hüften wiegen.
Er hört nicht auf mit seinen Übungen und dreht sich nicht zu ihnen um, wirft ihnen nur einen schnellen Blick zu und starrt dann wieder zum Fernseher, in dem eine alte Bonanza -Folge läuft. Er steht auf einem Regalbrett hinter ihm zwischen Stapeln von Camel- und Marlboro-Stangen.
An den dunkel getäfelten Wänden drängen sich Trophäen, lackierte Forellen und Hirsch-, Wapiti- und Antilopengeweihe. Die Spalten zwischen den Bodenbrettern sind so breit, dass locker ein Vierteldollar hindurchpasst, und sie knarzen, als die Männer die Gänge entlanggehen und einen Sechserpack Pepsi, eine Tüte Fritos, Oreos und Trockenfleisch aus den Regalen nehmen. Ein Päckchen mit Panther Martin Spinnködern. Justins Vater sagt, sein Filter pfeife aus dem letzten Loch, und nimmt sich einen Milchkrug voller Wasser.
In der hintersten Ecke steht ein hüfthoher, hölzerner Eimer. Ein Zettel oben auf dem Deckel bietet zehn Elritzen für einen Dollar an. Justin hebt den Deckel, und er und Graham spähen in das Wasser und sehen Hunderte von dunkel wimmelnden Elritzen. Justin taucht die Hand hinein und Graham macht es ebenso, und die Fische sind wie zappelnde
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