Wölfe der Nacht
Mount Bachelor suchen. Sie atmen über ihm. Sie helfen ihm, den Weg zu finden. Jetzt verändert er leicht den Seitenspiegel und in ihm sieht er die Berge hinter sich kleiner werden. Er legt die Hand auf ihr Spiegelbild.
Karen hat ihnen Rosinenbrötchen gebacken, und jetzt essen sie ein paar und trinken Kaffee aus einer Thermosflasche, während sie über diese schnurgerade Straße fahren. Die Wüste ist gesprenkelt mit Beifuß und Krüppellärchen und sonst kaum etwas. Unter der Sonne wirkt alles gelblich, fast kränklich. Hin und wieder kommen sie an einer kleinen Ortschaft oder einer Wohnwagensiedlung mit Namen wie Frog Bottom oder Pine Hollow vorbei. Jeder dieser extrabreiten Trailer hat eine Satellitenschüssel auf dem Dach. In so gut wie jedem Vorgarten entdeckt Justin die übliche Mischung aus Unkraut und rotem Schlackekies, Kinder mit schmutzigen Windeln und Hunden, die an ihren Ketten reißen und jedes Auto anbellen.
Sie kommen durch eine Gegend, in der niemand wohnt. Lava, ausgespuckt von einer uralten Eruption, erstreckt sich um sie herum wie ein riesiger schwarzer See mit Wellen aus scharfkantigen Graten, die der Wind herausgeschliffen hat. Hier und dort bricht ein knochenweißer Baum durch die Kruste.
Sein Vater drückt den Bronco auf siebzig, achtzig Meilen, als hätte er es eilig, diesen Ort hinter sich zu lassen, wo vor und hinter ihnen zu beiden Seiten der Straße nur Wüste liegt. Der Motor vibriert. Die Reifen surren über den rötlichen Asphalt. Ein Rotschwanzbussard sitzt auf einem Telefonmast. Eine Truppe Mexikaner, die Bewässerungsrohre verlegen. Eine Hütte aus Teerpappe mit klaffender Tür wie ein schiefer Zahn. Zwei Kojoten, die im Schatten eines toten Baums sitzen. All das verschmilzt miteinander in der heißen, weiß glühenden Luft. Die Reifen fressen die Straße und nach einer Weile versiegt die Unterhaltung und macht einer unbehaglichen Vorahnung Platz.
Seit einiger Zeit interessiert Graham sich für Computer, und vor ein paar Wochen verkündete er beim Abendessen, er wolle später entweder Programmierer oder (sein Standard-Berufswunsch) Fotograf für das National Geographic werden. Justins Vater versucht jetzt herauszufinden, was das heißt – Programmierer zu werden – und fragt mit einer Stimme, die Radio und Motor übertönt, was Facebook eigentlich ist, was ein iPod macht.
Graham gibt sich Mühe, seine Fragen zu beantworten, redet mit ruhigem Selbstvertrauen, tippt mit den Fingern auf einer imaginären Tastatur. Was Justins Vater nicht versteht, nennt er gern nutzlos und tut es mit einer Handbewegung und ein paar ausgewählten Worten ab. Deshalb beschließt Justin, als er sieht, dass seine Augenbrauen vor Verwirrung immer enger zusammenrücken, das Gespräch auf ein Thema zu bringen, das seinem Vater besser gefällt.
»Wie läuft’s eigentlich mit Boo?« Boo ist der Jagdhund, den er schon immer wollte, ein Labrador-Retriever-Mischling, den er vor einem Jahr von einem Alfalfa-Farmer gekauft hat.
»O, er ist ein guter Junge.« Sein Vater lächelt und stellt den Rückspiegel so, dass er Boo sehen kann, der, zu einem Hufeisen zusammengekrümmt, auf der Rückbank neben Graham schläft. »Boo? Hey Boo, du Bär?« Als der Hund seinen Namen hört, stellt er die Ohren auf und hebt den Kopf von den Pfoten und wedelt ein paar Mal mit dem Schwanz. »Bereit zum Jagen, Boo?«, fragt er, und Boo bellt scharf.
Nun erzählt er ausführlich, dass die Erziehung eines Hundes nichts anderes ist als die Erziehung eines Kindes. Er behauptet, dass ein Mann, der es nicht schafft, seinen Hund ausreichend und ausdauernd zu trainieren, zu testen, zu disziplinieren – von der Geburt bis zum Tod –, sich auf ein schlimmes Erwachen gefasst machen muss. »Boo war noch nicht mal einen Monat alt, als ich ihn zum ersten Mal mit Wasser bekannt machte, mit den verschiedenen Arten der Deckung und mit den Jagdvögeln.« Er streicht sich mit der Hand über den Bart. »Bei Hunden muss man von Anfang an ihre Gehorsamkeit und ihre Jagdlust entwickeln, sonst wird aus ihnen nichts Rechtes.«
Hier wirft er Justin einen Blick voller Nachsicht und Liebe zu, und Justin tut so, als würde er es nicht bemerken, denn er weiß, sie haben ein langes Wochenende vor sich.
Sein Vater beschreibt, wie er Boo zum ersten Mal ins Wasser gelockt hatte. »Ich habe meine Fliegenrute genommen, weißt du.« Er ahmt mit der Hand die Wurfbewegung nach. »Mit einem Fasanenflügel am Haken warf ich sie in den flachen Teil des Teichs, und
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