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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Tabletten
inzwischen weitgehend vorüber?« fragte Hy.
    »Ja, aber jede Bewegung bringt mich aus
der Puste, und mein Herz klopft bis zum Hals. Außerdem habe ich furchtbare
Kopfschmerzen.«
    Das hieß, er würde ziemlich viel Hilfe
brauchen, wenn wir über die Grenze gingen. »Wir besorgen Ihnen etwas gegen die
Kopfschmerzen. Ruhen Sie sich jetzt aus.«
    »Wohin bringen Sie mich?«
    »Erst nach Tijuana, dann nach San
Diego.«
    Hy sah mich fragend an.
    Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte
nicht, daß Mourning es schon jetzt mit der Angst bekam, wenn er von der Art
unseres Grenzübertritts erfuhr.
    »Wo ist Diane?« fragte Tim.
    »In einem Krankenhaus in San Diego.
Fällt Ihnen irgend etwas zu diesem Schuß auf sie ein?«
    Er schwieg. »Ich kann mich nur an sehr
wenig erinnern«, sagte er schließlich. Dann legte er sich hin und schloß die
Augen.
    Ich sah Hy an. Er war wohl genauso
verdutzt wie ich. Auf die Frau dieses Mannes war geschossen worden, und er
erkundigte sich nicht einmal nach ihrem Zustand. Natürlich hatte er allen
Grund, sie zu hassen, aber könnte er nicht gerade deshalb wissen wollen, wie
schwer sie verletzt war? Und warum interessierte ihn nicht, ob sie in Haft war
oder nicht?
    »Immer noch der Schock?« fragte ich
lautlos.
    Hy zuckte mit den Schultern und lehnte
sich gegen die Tür. Er hatte die Hand auf die blutende Wunde gepreßt.
    Nach einer halben Stunde tauchte die
Lichtglocke von Tijuana am nachmitternächtlichen Horizont auf. Touristenstädte
— für manche Leute Städte der Sünde — schlafen nie. »Wir fahren Tim zu Al
Mojas’ Haus«, sagte ich, »besorgen ihm Kaffee und Aspirin und vielleicht auch
etwas zu essen. Dann kann einer von uns beiden den Wagen zurückbringen und mit
einem Taxi wieder herkommen.«
    »Das mache besser ich. Ich habe ihn auf
meinen Namen gemietet. Außerdem sehe ich mich mal bei der Grenzkontrolle um. Es
gibt noch eine Möglichkeit, daß wir gar nicht über den Zaun müssen.«
    »Bist du sicher, daß du das alles
schaffst?«
    »Ich schaffe das.«
    »Ich muß dir wohl nicht sagen, daß du
vorsichtig sein sollst.«
    »Nein, aber danke. Ich werde vorsichtig
sein.«
    Auf den Straßen von Colonia Libertad
war ein Verkehr wie am hellichten Tag. Kinder liefen herum, Hunde bellten,
Erwachsene standen um Imbißstände und Schnapsbuden herum. Viele waren
angezogen, als wollten sie über die Grenze: Sie trugen ein Kleidungsstück über
dem anderen. Ich fuhr zum Eckhaus mit der Palme und der Statue der Jungfrau
Maria davor, parkte ein und ließ den Schlüssel stecken. Dann stieg ich aus und
half Tim Mourning bei seinem nächsten Schritt in Richtung Heimat.
     
     
     
    02 Uhr 36
     
    »Ich weiß nicht, ich weiß einfach
nicht.« Al Mojas saß mir und Mourning gegenüber an dem wackeligen Küchentisch
und schüttelte den Kopf. Der Linoleumfußboden war so abgetreten, daß seine
ursprüngliche Farbe nicht mehr zu erkennen war. Von den Wänden blätterte der
pinkfarbene Anstrich in großen Stücken ab. Auf dem Herd köchelte ein Topf
scharfer Tomatensauce. Mojas’ gewichtige Frau namens Nita kam ein halbes
dutzendmal herein, um sie umzurühren und uns etwas zu essen anzubieten. Ich
lehnte ab, weil ich keinen Hunger hatte. Mourning konnte noch nichts Eßbares
vertragen. Nita goß uns fleißig immer wieder Kaffee ein, bis Al ihr schließlich
sagte, sie solle hinausgehen und draußen bleiben.
    »Was wissen Sie nicht?« fragte ich.
    »Sie bringen mir einen Kerl her« — er
zeigte auf Mourning —, »der so high ist, daß er nicht geradeaus gehen kann. Ich
wollte gleich los, wenn Sie hier sind. Wo sind die anderen? Ich sage Ihnen, die
ganze Sache sieht mir verdammt unsicher aus.«
    »Der andere Mann kommt gleich.« Ich sah
Mourning an. Er lag fast auf der Tischplatte und hielt die Kaffeetasse fest umklammert.
Ich war nicht sicher, ob er die Situation begriffen hatte, obwohl ich sie ihm
nach unserer Ankunft bei Mojas erklärt hatte. »Der wird es prima schaffen«,
setzte ich hinzu. Meine Stimme klang überzeugter, als ich tatsächlich war.
    »Ich weiß nicht«, sagte Mojas noch
einmal. »Sie haben meinen Preis gedrückt, und jetzt bringen Sie mir diese Figur
da.« Er betrachtete Mourning mißbilligend. »Ich glaube, ich mache das Ganze
besser rückgängig.«
    »Mal langsam«, sagte ich, »wir haben
ein Geschäft abgeschlossen.«
    Er schob stur das Kinn vor. »Wir haben
ein Geschäft abgeschlossen, aber von ihm habe ich dabei nichts gewußt. Einer,
der sich nicht um sich selbst

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