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Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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vermutete, daß Boris Sieloff, ihr zweites Opfer, zurück sein würde. Somit bestand die Hoffnung, daß sie aus dem Vorfall auf dem Gut kein Kapital schlagen wollte. Sie war eine verwirrte, fanatische Rächerin, aber keine kühle Erpresserin.
    Aus Robins Gesicht war die Farbe gewichen, und ihm fehlten die Worte.
    Die Staatsanwältin schloß ihren Bericht mit dem Fazit: »Das Mädchen ist eine Mörderin und Brandstifterin. Für euch kann ich nur hoffen, daß ihr nett zu ihr wart.«
    Klara hatte zwischendurch geschlafen, ein leichter Schlaf, aus dem sie hochschreckte, wenn sie ein Geräusch vernahm. Dann hoffte sie, daß sich ein Spaziergänger zeigen und bei ihrem Anblick erstaunt stehen bleiben würde, malte sich aus, wie eine Familie mit kreischenden Gören durch den Wald lärmte und sie fand, oder wie der Hund eines Spaziergängers plötzlich durchs Dickicht brach und unschlüssig kläffend vor ihr stehen blieb. Oder wie ein Jagdhund seinem Herrn den Fund einer waidwunden Beute lautstark anzeigte. Es gab so viele Möglichkeiten. Immerhin war Sonntag, ein schöner noch dazu, der erste warme Sonntag nach den kühlen Ostertagen. Was war los mit dem Tourismus im Harz? Aber es zeigte sich niemand, kein Mensch, kein Tier, nicht einmal ein Reh kam auf die Lichtung, kein Hase streckte seine Löffel aus dem Gras, nur ein Eichelhäher flitzte um die Fichten und ließ sein ordinäres Rätschen hören. Was für eine gottverlassene Gegend.
    Jetzt stand die Sonne im Südwesten und schien Klara ins Gesicht. Erschrocken sah sie auf die Uhr. Schon gleich sechs. Sie mußte drei Stunden am Stück geschlafen haben. Allmählich konnte sie nur noch hoffen, daß Trenz von sich aus etwas unternahm. Aber vielleicht funktionierte der Sender in ihrem Rucksack ja ebensowenig wie das Telefon. Verschollen im Funkloch . Klang wie ein Hörspiel für Zehnjährige. Sie mußte kichern. Sofort meldeten sich die Stricknadeln. So etwas passiert, wenn sich der Mensch zu sehr auf die Technik verläßt, erkannte Klara.
     Wenn nicht bald etwas geschah, würde sie hier eingehen wie ein verletztes Tier.
    Wo war ihr Kampfgeist geblieben? Sie wandte den Kopf nach rechts, wo hinter der Leiter zur Kanzel ihre Schrotflinte lag. Gute drei Meter betrug die Entfernung. Eine mörderische Distanz. Sie unternahm erneut die Anstrengung, sich aufzusetzen. Es ging viel schwerer als beim vorigen Mal, daran merkte sie, wie ihre Kräfte schwanden. Im Rucksack fanden sich acht dreieinhalb Millimeter Schrotpatronen, ihre halbvolle Wasserflasche, und sie fand auch noch ein paar Aspirin. Sie löste drei davon im Wasser auf und trank in vorsichtigen, kleinen Schlukken. Bloß nicht wieder husten! Danach blieb sie möglichst entspannt liegen, um Kräfte zu sammeln und damit das Schmerzmittel wirken konnte. Nach einer Weile begann sie Zentimeter für Zentimeter rückwärts über den Waldboden zu rutschen. Ihr Knie schmerzte, aber es war zu ertragen, wenn man sich ein Stück Ast zwischen die Zähne klemmte. Die geballte Ladung Tabletten schien doch ein wenig zu helfen. Vor Anstrengung brach ihr der Schweiß aus. Wenn sie merkte, daß sie husten mußte, wartete sie einige Minuten, ehe sie sich weiterschleppte. Ihren Rucksack zog sie mit sich. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis sie die Leiter erreicht hatte. Sie bildete eine willkommene Stütze für den Rücken, und Klara gönnte sich eine Pause. Dann bewegte sie sich um die Leiter herum, bis sie mit einer abgebrochenen Sprosse, die am Boden lag, ihre Waffe am Gewehrriemen zu sich heranziehen konnte. Sie streichelte das Holz des Schaftes und legte den kühlen Lauf an ihre Wangen. Obwohl sie nicht zu den Leuten gehörte, die sich im Wald fürchteten, fühlte es sich trotzdem beruhigend an, eine Waffe in der Hand zu haben. Sie steckte zwei Patronen in die Läufe. Auf Spaziergänger und Wanderer brauchte man um diese Uhrzeit nicht mehr zu hoffen, aber für Jäger waren die Abendstunden eine beliebte Ansitzzeit, denn dann trat auch das Wild aus der Deckung und suchte Lichtungen und Wiesen zum Äsen auf. Vielleicht hörte sie einer und wunderte sich über Schüsse in seinem Revier. Die Chance war nicht riesig, aber besser als nichts.
    Punkt sieben Uhr gab Klara kurz hintereinander zwei Schüsse ab. Obwohl sie relativ stabil gegen die Leiter lehnte, war ihr,  als ob sie der Rückstoß der Flinte zerschmettern wollte. Die Schüsse gellten in ihren Ohren. Die nächsten beiden würde sie in einer halben Stunde abgeben, die letzten kurz

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