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Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Friseurtermine, Kosmetik. In den Innenseiten des Umschlags steckten Visitenkarten. Hannes nahm sie heraus. Eine Autowerkstatt, ein Fensterputzer, vier Anwälte, drei Journalisten, darunter Mia Karpounis.
    Die Erkenntnis traf ihn wie ein Aufwärtshaken in den Magen: Diese Karpounis hatte sich ihren Stoff durchaus nicht aus alten Presseartikeln zusammengesucht. Das hatte sie gar nicht nötig gehabt, wie Hannes jetzt sah. Neben Einkaufslisten, Telefonnummern und ein paar undefinierbaren Kritzeleien fand er nämlich – Aktenzeichen. Hannes schrieb sie sorgfältig ab, aber er hätte jetzt bereits gewettet, daß es die Fälle waren, die während der vergangenen Tage durch die Presse gegangen waren. Denn alle diese Fälle stammten aus der Zeit, als die Reinecke und er noch gemeinsam am Landgericht gewesen waren. In einigen Verhandlungen hatte sogar sie selbst die Anklage vertreten, erinnerte er sich. Daß ihm das nicht schon eher aufgefallen war. Dieses intrigante Weibsstück! Was hatte er ihr getan? Eine Zeitlang hatte es sogar so ausgesehen, als habe sie ein gewisses Interesse an ihm gehabt. Ja, es hatte ein paar Situationen gegeben, die man als Flirt hätte bezeichnen können, aber wirklich nicht mehr. Sie war weder optisch seine Kragenweite, noch seine Altersklasse. War das das Motiv? Enttäuschte – ja was? Liebe? Doch wohl nicht. Verletzte Eitelkeit? Verdammt, sie mußte doch weiterdenken. Wenn er abgesetzt wurde, war es doch mit ihr ebenfalls vorbei. Oder wähnte sie sich inzwischen so prominent, daß der Sender nicht auf sie verzichten konnte? Wollte sie eine eigene Sendung, war es am Ende das, was Kieferle mit »neuen Fomaten« meinte?
    Jetzt war er froh, ihr Notizbuch entwendet zu haben. Ihm war, als rechtfertigten die Entdeckungen seinen unbefugten Zugriff. Mit dem, was er nun wußte, ließ sich unter Umständen noch etwas Nützliches anfangen. Auf jeden Fall würde er genau prüfen, ob ein Verstoß gegen §353 d StGB – Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen – vorlag.
    »Bist du allein?«
    »Ja, warum?«
    »Du mußt mir einen Gefallen tun. Du mußt ein Foto von Nasrin machen. Aber sie darf nichts davon merken. Kriegst du das hin?«
    »Wozu?«
    »Versuch es einfach.«
    »Und wenn sie es merkt?«
    »Dann erzähl ihr irgendwas.«
    »Na gut. Ich werde es versuchen.«
    »Die Digitalkamera liegt in meinem Arbeitszimmer. Du mußt nur auf Automatik stellen, dann macht das Ding alles von alleine. Und noch was, mein Schatz.«
    »Ja?«
    »Schau nach, ob sie aufgeladen ist und ob der Speicherchip drin ist.«
    Gründonnerstag schloß der Kindergarten früher, und Barbara nutzte den freien Nachmittag zu einem Bummel durch die ersten Einkaufslagen der Landeshauptstadt. Die Sommersachen vom letzten Jahr waren ihr zu weit und zu grell. Als Hannes sie kennengelernt hatte, war Barbara herumgelaufen wie eine aus den Nähten geplatzte Viva-Moderatorin. Inzwischen hatte sie Geschmack entwickelt und wußte besser, was ihr stand. In Frühlingslaune kaufte sie zwei Paar Schuhe, eine Hose, drei T-Shirts und am Ende noch ein Sommerkleid für Nasrin. Es war ein Trägerkleid in Orange und Türkis, Farben, die Barbara überhaupt nicht, Nasrin aber ausgezeichnet standen.
    »Das soll für mich sein?«
    »Wir können es umtauschen, wenn du es nicht magst.«
    Nasrin sagte nichts, aber sie umarmte Barbara. Ihr standen Tränen in den Augen. Dann preßte sie das Kleid an ihre Brust und rannte ins Gästehäuschen.
    Wie ein Hund, der einen Knochen in seine Hütte schleppt, dachte Barbara und schämte sich sofort dafür. Nach einer Viertelstunde kam sie nicht, wie Barbara erwartet hatte, im neuen Kleid wieder, sondern mit nassen Haaren.
    »Barbara, kannst du mir die Haare schneiden?«
    »Die Spitzen, meinst du?«
    »Nein, kürzer.«
    »Wie kurz?«
    »Bis hier.« Nasrin hielt die Hand an ihr Kinn. »Und ein bißchen stufig.«
    »Willst du nicht lieber zum Friseur gehen?«
    »Nein!«
    »Ich habe zwei linke Hände«, behauptete Barbara.
    »Du kannst das«, widersprach Nasrin stur. Auf der Terrasse hatte sie bereits Schere und Kamm zurechtgelegt.
    »Auf deine Verantwortung«, sagte Barbara.
    Nasrin setzte sich auf einen der Stühle etwas abseits vom Tisch und faltete die Hände in ihrem Schoß.
    »Möchte die Dame vielleicht einen Kaffee? Oder Tee? Leider habe ich keine Zeitschriften mit dem neuesten Klatsch aus den Adelshäusern.«
    Barbara kämmte das Haar durch, dann griff sie zögernd zur Schere. »Am besten, ich schneide sie erst mal

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