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Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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geschlichen. Die Krähe saß in der Baumkrone und hielt den Kopf schief. Das Amselnest war leer, dafür hatten sich jetzt Spatzen in der Kastanie eingenistet. Robin hielt das Gewehr in der rechten Hand und näherte sich Schritt für Schritt der Balkontüre. Sein Herzschlag beschleunigte sich. War das Jagdfieber? Er hatte inzwischen schon öfter mit Arne in der Kiesgrube geschossen und dabei eine erstaunliche Feststellung gemacht: Je mehr er das Schießen übte, desto mehr verlangte es ihn nach konkreten Zielen. Er bedeutete Nasrin, sie solle sich in den Raum zurückziehen. Kaum erschien Robin mit dem Gewehr im Anschlag auf der Schwelle des Balkons, machte sich der Vogel davon. Er flog nicht weit, sondern setzte sich frech auf den Giebel der Scheune und sah zu Robin hinüber. Der benutzte das Balkongeländer als Stütze, nahm das Tier ins Visier und drückte ab. Der Schuß gellte so ohrenbetäubend durch den Hof, daß selbst Robin erschrak. Hier klang es viel lauter als in der Kiesgrube. Der Vogel flog ohne Hast auf und entfernte sich mit trägem Flügelschlag, als hätte überhaupt keine Gefahr bestanden. Womit das Tier wahrscheinlich recht hatte. Hinter dem Haus begannen Klaras Hunde zu heulen. Es klang, als ob der Wind durch enge Röhren fuhr.
    »Daneben«, stellte Nasrin fest. Ihr war nicht anzumerken, ob sie das freute oder nicht.
    »So. Das war jetzt die letzte Warnung«, sagte Robin grimmig und unterdrückte ein Grinsen. Plötzlich war das Jagdfieber wie weggeblasen, und er war heilfroh, daß er das Tier verfehlt hatte.
    »Vielleicht hat sie das resozialisiert«, lächelte Nasrin.
    Unten flog die Haustür auf.
    »Wer hat da geschossen?« rief Klara.
    »Ich. Auf eine Krähe.«
    »Wohl verrückt geworden«, stellte Klara fest und ging zum Zwinger, um die aufgeregten Tiere zu beruhigen.
    Als die letzte Sendung abgedreht war, schloß sich Hannes in seiner Garderobe ein. Zuerst legte er die Robe ab, dann trank er einen Kognak, gönnte sich eine winzige Prise vom weißen Pulver und betrachtete sich im Spiegel. Johannes Frenzen, was glaubst du, wer du bist? Du stammst aus der Mittelschicht, du bist solides Mittelmaß, kein origineller Geist, kein Götterliebling, weder begnadet, noch verdammt, und dafür hast du schon mehr als genug erreicht. Du bist ein Hochstapler, deine grundehrliche Visage, auf die sie alle hereinfallen, ist eine einzige Lüge. Warum willst du mehr, als einer wie du vom Leben erwarten darf?
    Seine Selbstzweifel überkamen ihn nicht ohne Grund. Montag und Dienstag waren die Einschaltquoten gesunken, wie er gerade eben erfahren hatte. Nicht frappierend, es konnte auch am schönen Wetter liegen, oder an den Osterferien. Hannes waren inzwischen zwei Dinge klargeworden: Die Show, die er zunächst nur als zeitlich begrenzte Episode betrachtet hatte, war ihm zum Lebensinhalt geworden. Nicht unbedingt diese Show, aber er konnte nicht mehr zurück ans Gericht, völlig undenkbar. Er brauchte das Fernsehen, die Prominenz, die Öffentlichkeit. Zweitens war ihm aufgegangen, daß er nicht unersetzlich war. Es gab inzwischen sechs Gerichtsshows in den Nachmittagsprogrammen und der CvD, Kieferle, hatte vorhin beiläufig erwähnt, daß er mit dem Programmdirektor »über neue Formate nachgedacht« habe. Vorsichtshalber waren Sendungen, die mit kriminellen Ausländern zu tun hatten, aus dem Sendeplan gestrichen worden. Wie Irrläufer waren während der vergangenen Tage noch einige Artikel durch die Zeitungen gegeistert. Die taz hatte ihn unverblümt als »Rassisten in Robe« bezeichnet. Sein Vater hatte ihn besorgt angerufen. Was das zu bedeuten habe, ob es wahr sei, die Nachbarn würden ihn bereits ansprechen. Hannes hatte sich eine scharfe Antwort verkniffen. Nein, so konnte es nicht weitergehen. An seiner Rechtfertigung war niemand interessiert. Er mußte der Bestie neues Futter liefern.
    Im Flur klapperten Schritte. Das Team bereitete sich auf den Feierabend vor. Hannes vergewisserte sich, daß seine Tür abgeschlossen war. Dann nahm er sich das Notizbuch der Reinecke vor. Nicht ganz ohne Gewissensbisse, aber die Neugier war größer. Das Buch hatte einen Lederumschlag und war Notizbuch, Adressbuch und Terminkalender in einem. Der Kalenderteil vermerkte die Drehtage und ihre Verhandlungen am Landgericht Hannover, denn an drei Tagen in der Woche war Sabrina Reinecke noch immer eine normale Staatsanwältin. Ansonsten fand Hannes Notizen über Meetings, Arzttermine, Geburtstage von Freunden oder Verwandten,

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