Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)
nichts zu verbergen.«
»Schön für dich«, meinte Klara. Der Gedanke, daß dieses Mädchen womöglich in ihrer Wohnung geschnüffelt hatte, verursachte ihr mindestens so viel Unbehagen wie die nun anstehende Aufgabe. Klara öffnete die Tür zur Wildkammer.
Der Tote war in Frühbeetfolie eingeschlagen, das selbe stabile Plastikzeug, mit dem Klara im Winter das Kräuterbeet vor Nachtfrösten schützte. An beiden Enden war die Plane zugeschnürt und stand über, so daß es aussah, als läge auf dem Boden des Kellers ein überdimensionales Bonbon. Durch die grünlichen Plastikschichten schimmerte es hautfarben.
»Er ist nackt«, stellte Robin fassungslos fest.
»Natürlich. Ißt du die Schokolade etwa mit der Verpakkung?«
»Klara, bitte, mir ist nicht nach solchen Scherzen.«
»Das war keiner.«
»Wo sind seine Klamotten?« wollte Robin wissen.
»Verbrannt. Sonst noch Fragen?«
»Ich wüßte zu gern, wer der Kerl war.«
»Komm, faß mit an«, drängte Klara ungeduldig.
Sie trugen ihn an den überstehenden Enden der Folie durch den Keller und die enge, stets feuchte Treppe hinauf. Oben stand schon Klaras VW-Transporter bereit. Sie hievten den Körper in den Laderaum und stiegen ein. Merlin heulte in Klaras Wohnung, als er sie wegfahren sah.
»Am Sonntag werde ich mit den Wölfen für ein paar Tage verschwinden.«
»Aha. Hat der große unbekannte Meister also das Signal gegeben?«
»Würdest du so lange Merlin versorgen?«
»Was denn, Merlin darf nicht mit in die Freiheit?«
»Er ist nicht geeignet. Er ist mehr wie ein Hund.«
»Wirklich? Oder hängst du zu sehr an ihm?«
»Ich hänge an ihnen allen«, gestand Klara.
»Ich werde die Bande auch vermissen.«
»Tatsächlich?«
»Ja, doch. Wer hat schon Wölfe vor seinem Schlafzimmer. Es war immer so schön gruselig, wenn sie mitten in der Nacht zu heulen anfingen.«
»Ja«, nickte Klara. »Das war schön.«
Sie schwiegen, bis das Gehöft am Dorfrand in Sicht kam. Robin stieg aus, öffnete das große Tor und schloß es hinter Klaras Wagen gleich wieder. Er sah sich um. Alles war ruhig. Klara rangierte ein paarmal, bis sie mit dem Heck so nah wie möglich an der Hintertür des Schweinestalles stand. Die Vordertür war leichter zu erreichen, aber man konnte sie von der Straße aus zu gut einsehen.
»Ich muß vorne herum. Da hinten paßt der Schlüssel nicht«, erklärte Robin.
Klara nickte und blieb im Wagen sitzen.
Robin umrundete das Gebäude. Die Schweine hatten die Ankunft der beiden bemerkt und angefangen zu lärmen. Robin schloß gerade die Stalltür auf, als Bauer Venske mit seinem Trecker herandonnerte. Er blieb stehen. Hoffentlich drängte ihm der Nachbar jetzt nicht seine Hilfe auf. Aber der Bauer hob nur die Hand an die Mütze und fuhr weiter. Robin schlüpfte durch die Tür und verriegelte sie von innen. Der Gestank umfing ihn wie eine warme, nasse Decke. Die ersten Atemzüge fielen schwer, dann gewöhnte man sich daran. Das Geschrei dagegen kratzte an den Nerven. Robin schaute in die Ecke, in der die Eber standen. Er hatte sie gestern bei der Fütterung übergangen. Sie streckten ihm ihre Rüssel gierig entgegen, und ihre kleinen Augen funkelten ihn wütend an. Ob hungrigen Schweinen wohl auch der Magen knurrte? Robin durchquerte den Stall und machte die hintere Tür für Klara auf.
Das Geschrei wurde immer hysterischer. Die Tiere waren an gewisse Abläufe gewohnt, jede Abweichung irritierte sie. Robin begann mit dem Verteilen des Futters. Abschnittsweise kehrte schmatzende Ruhe ein. Klara stand erst ein wenig unschlüssig herum, dann kraulte sie die Ferkel, bis Robin ihr ein paar Anweisungen gab. Zu zweit hatten sie die Schweine in einer Viertelstunde abgefertigt.
»Das wäre dann soweit fertig«, stellte Robin fest, als das letzte Schwein seinen Rüssel in den Trog steckte.
Nur die drei hungrigen Eber brüllten noch.
Sie zerrten den Körper aus dem Wagen, trugen ihn in den Stall und legten ihre Last vor den Boxen der drei Eber ab. Die aufgebrachten Tiere rammten mit ihren schweren Körpern gegen das Holz der Boxen, einer fletschte die Zähne. Das Gebiß sah furchterregend aus. Robin wurde plötzlich von der Vorstellung überfallen, wie sie als erstes die zarte Bauchdecke aufreißen würden, um an die Organe zu gelangen. Er verspürte Übelkeit und schluckte.
Sie sahen sich an. Klara fand ihre Sprache wieder: »Es sind drei. In getrennten Boxen.«
»Man kann die Trennwände rausziehen«, sagte Robin.
»Was passiert
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