Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)
schwer zusammenreißen.«
Klara verteidigte sich: »Er hat diese dahergelaufene Göre bis zum Gehtnichtmehr idealisiert. Sie war wie eine weiße Leinwand, auf die er seine Phantasien projezieren konnte, unter der dicken, fetten Überschrift: Die große, unerfüllte Liebe meines Lebens .« Klara unterstrich den letzten Satz mit einer theatralischen Geste.
Hannes konzentrierte sich auf das Überholen einer Familienkutsche. Als sie wieder freie Fahrt hatten, sagte er: »Und du mußtest die leere Leinwand mit dieser Proletengeschichte füllen.«
»Das war die einzige Möglichkeit. Robin ist im Grunde ein Snob. Er verabscheut nichts mehr als das, was er »prollig« zu nennen pflegt. Wahrscheinlich, weil er Angst hat, selbst so zu enden. Denn irgendwann wird ihm das Geld ausgehen, und die Nummer junges, verkanntes Genie wird zusehends lächerlicher, wenn er auf die Vierzig zugeht.«
»Wenigstens ein paar kleine Illusionen hättest du ihm lassen können«, grinste Hannes. »Jetzt ist er sozusagen auf dem Weg von der Illusion zur Depression. Was, wenn er sich wirklich in das Mädchen verliebt hat?«
»Dann kann er jetzt prüfen, wie weit es damit her ist.«
»Du bist ein Miststück«, stellte Hannes fest.
Klara biß sich auf die Lippen. »Weißt du, es gab mal eine Zeit, da hätte ich alles für Robin getan. Aber er hat es nicht zugelassen, er mußte unbedingt den einsamen Wolf geben.«
»Hast du den Brief geschrieben, weil du dich für seine Zurückweisung rächen willst?«
»Nein. Aber du hättest ihn sehen sollen, wie er im Gemüsebeet gewütet hat. Wie ein Irrer. Du kennst ihn, wenn der sich in was reingesteigert, ist er wie ein Terrier. Er hätte uns bis ans Ende seiner Tage für Mörder gehalten.«
»Vielleicht hat er ja recht.«
»Wie meinst du das?«
»Du hast Robin im Schweinestall weggeschickt, damit er nicht bemerkt, daß der Tote gar keine Schußwunde hat«, sagte Hannes, den als Antwort ein giftiger Seitenblick traf.
»Versteh mich nicht falsch. Es macht keinen Unterschied, ob es Robin war oder du. Außer, daß es bei Robin ein Versehen war, während bei dir …«
»Bei mir wäre es Mord.«
»Ein guter Anwalt würde Totschlag rausholen. Es fehlt die Arglosigkeit des Opfers.«
»Sehr witzig.«
»Das ist ein Unterschied von einigen Jahren.«
»Unsinn. Er hat sich beim Sturz …«
»Komm mir nicht schon wieder damit. Er hatte nicht einmal eine Schürfwunde am Kopf.«
»Und das Mädchen?« wandte Klara ein. »Sie war am nächsten dran. Erinnerst du dich, wie sie Robin aufs Kreuz gelegt hat, als er wegen seiner Möbel ausgerastet ist? Vielleicht beherrscht sie eine Kampfsportart. Vielleicht hat sie ihn erledigt.«
Hannes schüttelte den Kopf. »Das hätte Robin vom Balkon aus noch gesehen.«
»Vielleicht deckt er sie. Aus Liebe.«
»Im Grunde ist es egal«, meinte Hannes. »Ich wüßte nur einfach gerne Bescheid.«
»Du hast gerne alles unter Kontrolle«, stellte Klara fest.
»Du etwa nicht?«
Klara ließ die Scheibe herunter. Der niedersächsische Frühlingsabend bot erste mediterrane Anklänge. Laue Luft drang herein und wirbelte ihr Haar durcheinander. Es glänzte im Licht der sinkenden Sonne wie frisch geschälte Kastanien.
»Ich schlage dir einen Deal vor«, sagte Klara.
»Ich höre.«
»Du läßt mich mal mit deinem Wagen fahren, und ich erzähle dir die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit.«
» No way «, antwortete Hannes.
»Hast du was rausgefunden?« fragte Barbara.
Robin bat sie herein. Es war lange her, daß Barbara in seiner Wohnung gewesen war. Sie ging langsam durch die Räume und sah sich um. Robin stand vor seinem Schreibtisch, die Hände in den Achseln vergraben.
»Whow. Sieht ja richtig gut aus ohne den ganzen Krempel«, sagte sie.
»Ja, hin und wieder muß man im Leben Ballast abwerfen.«
»Und, hast du was rausgekriegt?« wiederholte Barbara ihre Frage. »Über Nasrin, meine ich.«
»Nein, noch nicht. Ich … ich mußte das Fahrrad wegbringen, und, na, du weißt schon.«
»Man muß übrigens gar nicht ins Archiv der Zeitungen, wenn man wissen will, was in Hannover und Umgebung in der letzten Zeit so los war.«
»Nein?« fragte Robin mäßig interessiert.
»Man findet alles auf der Internetseite der Polizei selbst.«
»Woher weißt du das? Hast du nachgesehen?«
»Nein, von Hannes. Der hat mir das mal erzählt, das ist mir heute plötzlich wieder eingefallen. Ich wollte es dir sagen, das erleichtert dir vielleicht die Arbeit.«
»Danke. Aber ich
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