Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11
Tänzerin.
»Detective Sturgis? Ich bin Anna, bitte kommen Sie.« Sie lächelte knapp und führte uns dann durch die linkeTür. »Dr. Cruvic kommt sofort. Möchten Sie einen Kaffee oder Espresso?«
»Nein, danke.«
Sie war uns voraus in einen kurzen, hellen Flur gegangen. Dunkle Holztüren, alle geschlossen, und ein dicker brauner Teppich, der unsere Schritte dämpfte. Die Wände waren
weiß und wirkten frisch gestrichen. Sie öffnete die vierte Tür und ließ uns eintreten.
Der Raum war klein und niedrig. Zwei beigefarbene Sessel und ein passendes Sofa standen auf schwarzem Teppich, dazwischen ein Couchtisch aus Chrom und Glas. Zwei hohe Fenster erlaubten den Blick auf die Wand des Schönheitssalons. Kein Schreibtisch, keine Bücher, kein Telefon.
»Dr. Cruvics Räume sind auf der anderen Seite, aber er möchte Sie hier sprechen, um die Patientinnen nicht zu beunruhigen. Möchten Sie wirklich keinen Kaffee? Oder Tee?«
Milo lehnte erneut ab und lächelte.
»Nehmen Sie Platz, er müsste jeden Augenblick dasein!«
»Schönes altes Haus«, sagte Milo. »Bestimmt nicht leicht, in Beverly Hills noch so etwas zu finden.«
»O ja, es ist herrlich«, sagte sie. »Ich glaube, es war früher mal ein Stall. Angeblich hat Mary Pickford hier ihre Pferde gehalten, vielleicht war es aber auch ein anderer Star der alten Garde.«
Ich fragte: »Führt Dr. Cruvic seine Operationen hier durch oder woanders?«
Ihr straffes Gesicht wurde starr. »Wir behandeln unsere Patientinnen meist ambulant. Auf Wiedersehen.«
Sie ging hinaus und schloss die Tür. Milo wartete einen Moment, dann öffnete er die Tür wieder und blickte hinaus. In vier großen Schritten war er am Ende des Ganges vor einer Tür, auf der ZUM WESTFLÜGEL stand. Er drehte den Türknauf. Abgeschlossen. Auf dem Weg zurück rüttelte er an den anderen. Alle verschlossen.
»Ist das meine übliche Paranoia, weil ich keine Arztpraxen mag, oder hat ihr deine Frage, wo er operiert, wirklich nicht gefallen?«
»Sie wirkte verunsichert«, sagte ich. »Tut mir leid, wenn ich ihrem Facelift eine solche Belastung zugemutet habe.«
»Stimmt, sie glänzt ja richtig... Ich hoffe, du wolltest keinen Kaffee.«
»Nein, der Raum ist schon anregend genug.«
Er lachte. »Richtig gemütlich, was? Könntest du hier eine Therapie machen?«
»Ich könnte überall eine Therapie machen, aber ein weniger förmliches Ambiente wäre mir lieber.«
»Vielleicht war das Hopes Therapieraum.«
»Wie kommst du darauf?«
»Weil es vom Westflügel getrennt ist. Da werden die Patienten nicht beunruhigt. Vorausgesetzt, sie hat hier gearbeitet. Aber das wäre ja nicht unwahrscheinlich: Er hat ihr fast vierzig Riesen bezahlt, und wir haben noch immer keine Patientenunterlagen gefunden.«
Die Tür öffnete sich, und ein breitschultriger Mann kam mit breitem Lächeln hereingerauscht. Er mochte um die vierzig sein, war rund eins fünfundsiebzig groß, trug das dichte graue Haar kurz geschnitten, die Koteletten ein gutes Stück oberhalb der kleinen, anliegenden Ohren abrasiert. Dunkle, ungemein wache, schmale Augen, die fast asiatisch wirkten, musterten uns.
»Mike Cruvic.« Ein Nicken, als hätten wir uns auf irgendetwas geeinigt. Selbst wenn er still stand, schien er auf und ab zu wippen.
»Doktor«, sagte Milo. Sie schüttelten sich die Hände, dann wandte Cruvic sich mir zu. Kräftiger Druck, aber weiche Handfläche. Polierte Fingernägel.
»Danke, dass Sie sich Zeit für uns nehmen.«
»Das mache ich doch gern, obwohl ich wirklich nicht weiß, wie ich Ihnen helfen könnte, Hopes Mörder zu finden.« Er schüttelte den Kopf. »Setzen wir uns doch.« Damit ließ er sich auf das Sofa sinken. »Ich hätte niemals gedacht, dass ich mal mit der Polizei über einen Mord sprechen würde,
erst recht nicht über einen, dem Hope zum Opfer gefallen ist.«
Er hob die Schultern, deren Breite nicht durch Schulterpolster zustande kam. Seine Haltung war perfekt, der Bauch flach wie ein Waschbrett. Ich stellte mir vor, wie er in seinem heimischen Fitnessstudio bei Tagesanbruch hüpfte und strampelte und Gewichte stemmte. Einer von diesen Frühaufstehern, die es nicht erwarten können, den Tag in Angriff zu nehmen.
»Nun«, sagte er und saß endlich still. »Was möchten Sie wissen?«
»Aus unseren Unterlagen geht hervor, dass Sie Dr. Devane in diesem Jahr sechsunddreißigtausend Dollar gezahlt haben«, sagte Milo. »Hat sie für Sie gearbeitet?«
Cruvic strich sich mit der flachen Hand über das Haar.
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