Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11
»Ich habe es nicht nachgerechnet, aber der Betrag könnte stimmen. Sie hat Patienten von mir beraten.«
»In welcher Eigenschaft, Doktor?«
Cruvic legte einen Finger an die breiten, blassen Lippen. »Mal sehen, wie kann ich Ihnen entgegenkommen, ohne meine Patienten zu kompromittieren... Ist Ihnen bekannt, was wir hier machen?«
»Geburtshilfe, Gynäkologie und Fertilitätsbehandlungen.«
Cruvic holte eine Visitenkarte aus der Innentasche seines weißen Jackets. Milo las sie und reichte sie zu mir herüber.
DR. MED. MILANA. CRUVIC
PRAXIS FÜR FERTILITÄTSBEHANDLUNGEN
»Früher habe ich als Gynäkologe gearbeitet, aber in den letzten Jahren beschäftige ich mich ausschließlich mit Fertilitätsproblemen.
»Wegen der Arbeitszeiten?«, fragte Milo.
»Wie bitte?«
»Bei der Geburtshilfe. Das sind ja manchmal anstrengende Arbeitszeiten.<
Cruvic lachte. »Nein, das hat mir nie etwas ausgemacht. Ich brauche nicht viel Schlaf. Die Beschäftigung mit Fertilitätsproblemen finde ich einfach interessanter. Manchmal kommen Menschen zu mir, bei denen absolut kein medizinischer Grund vorliegt, warum sie keine Kinder bekommen können. Sie sind verzweifelt. Wir untersuchen sie, finden vielleicht eine Lösung.« Er grinste. »Irgendwie fühle ich mich auch als eine Art Detective.« Er warf einen Blick auf seine Uhr.
»Welche Funktion hatte Professor Devane dabei, Sir?«
»Ich bat Hope um ihre Hilfe, wenn ich unsicher war.«
»Unsicher?«
»Ob die Patientinnen psychologisch richtig vorbereitet waren.« Cruvics Stirn legte sich in Falten. »Befruchtungsverfahren können sich äußerst schwierig gestalten. Physisch und psychisch. Und manchmal können wir einfach nicht helfen. Ich kläre die Patienten im Vorfeld darüber auf, aber nicht jeder kann damit umgehen. In solchen Fällen fängt man am besten gar nicht erst an. Manchmal kann ich abschätzen, wer wahrscheinlich Probleme bekommen wird. Wenn ich das nicht kann, bitte ich Experten um Hilfe.«
»Sind außer Dr. Devane noch andere Psychologen für Sie tätig?«
»In der Vergangenheit ja. Außerdem haben einige Patienten ihre eigenen Therapeuten. Aber nachdem ich Hope kennengelernt hatte, war sie meine erste Wahl.«
Er legte beide Hände auf die Knie. »Sie war toll. Sehr scharfsichtig. Konnte Menschen ungemein gut einschätzen. Und hervorragend im Umgang mit den Patientinnen. Anders
als andere Psychologen hatte sie nämlich kein Interesse daran, die Leute zu langfristigen Therapien zu überreden.«
»Warum nicht?«
»Weil sie schon beschäftigt genug war.«
»Mit ihrem Buch?«
»Ihrem Buch, ihrer Lehrtätigkeit.« Er klatschte in die Hände. »Schnell, sachbezogen, die kürzestmögliche Behandlung. Das hat vermutlich den Chirurgen in mir begeistert.«
Seine rötlichen Wangen waren dunkel angelaufen, und die Augen blickten in die Ferne. Er beugte sich vor. »Mir - der Praxis fehlt sie. Manche von diesen Psychologen sind abnormer als ihre Patienten. Hope hatte eine verständliche Sprache. Sie war fantastisch.«
»Wie viele Fälle haben Sie an sie überwiesen?«
»Ich habe sie nicht gezählt.«
»Gab es Patienten, die nicht mit ihr zufrieden waren?«
»Nein, keine - ach, hören Sie auf, das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Nein, nein, Detective, ausgeschlossen. Ich behandle zivilisierte Menschen und keine Irren.«
Milo zuckte die Achseln und lächelte. »Ich muss so was fragen … Bilde ich es mir nur ein, Doktor, oder gibt es heutzutage wirklich mehr Unfruchtbarkeit?«
»Allerdings. Zum Teil liegt das sicherlich daran, dass die Menschen heute länger warten, bis sie ein Kind wollen. Das ideale Empfängnisalter der Frau liegt bei Anfang bis Mitte zwanzig.Wenn Sie zehn, fünfzehn Jahre zugeben, ist der Uterus älter und die Wahrscheinlichkeit geringer.«
Er stemmte die Hände kräftig auf die Knie, und seine Hose spannte sich über dicken, muskulösen Oberschenkeln. »So etwas würde ich meinen Patientinnen nie sagen, weil sie sich ohnehin schon schuldig fühlen, aber zum Teil liegt es wohl auch an dem wilden Lebensstil in den Siebzigern. Promiskuität, wiederholte kleinere Infektionen, innere Vernarbungen.
Das gehört auch in den Bereich, für den ich Hope brauchte. Die Schuldgefühle.«
»Warum haben Sie sie direkt bezahlt, anstatt sie selbst ihre Rechnungen schreiben zu lassen?«
Cruvic beugte den Kopf nach hinten. Seine Hände lösten sich von den Knien und drückten fest auf das Sofapolster.
»Wegen der Versicherung«, sagte Cruvic. »Wir
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