Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11

Titel: Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
einer Sekunde konnte ich sein Gesicht sehen, schwach beleuchtet von den Lampen in den Torpfosten.
    Ich kannte dieses Gesicht.
    Schlank, intelligent. Volle Lippen. Langes Haar, glatt nach hinten gekämmt. Hohle Wangen, geschwungene Augenbrauen.
    Ein kleiner Mann, aber nicht Cruvic.
    Casey Locking, Hopes Lieblingsstudent.
    Er kratzte sich am Ohr.
    Wenn ich nicht gewusst hätte, dass er einen Totenkopfring trug, hätte ich weder gesehen noch erkannt, was da an seiner gepflegten blassen Hand schimmerte.
    Ich fuhr denselben Weg zurück.
    Hope und Cruvic.
    Hopes Student mit Cruvics Praxishelferin.
    Wohnte Locking hinter diesem Tor? Hübsche Bude für einen
Doktoranden. Reiche Eltern? Oder wohnte Cruvic dort, und es war Zeit für ein Gespräch unter vier Augen?
    Ich hielt an, wendete und fuhr zurück zum Haus. In gebührender Entfernung vom Tor wartete ich, um sicherzugehen, dass niemand draußen war. Dann ließ ich den Wagen langsam in die Einfahrt rollen. Die Hausnummer bestand aus kleinen weißen Zahlen am linken Pfosten, und ich prägte sie mir ein.
    Was konnte ein Doktorand der Psychologie mit Fertilitätsbehandlungen oder Abtreibungen zu tun haben?
    Führte er Hopes Beratungsgespräche weiter?
    Oder arbeiteten sie vielleicht an einem gemeinsamen Forschungsprojekt über ungewollte Schwangerschaften, über die psychischen Auswirkungen von Fertilitätsbehandlungen oder sonst etwas?
    Aber Locking hatte nichts dergleichen erwähnt, und Hope hatte nichts zu diesen Themen veröffentlicht. Es ergab alles keinen Sinn.
     
    Als ich zu Hause vorfuhr, stiegen Ruth und Bully gerade die Treppe hinauf. Die Pizza hatte ich völlig vergessen.

19
    Julia Steinberger hatte, kurz nachdem ich das Haus verlassen hatte, um nach Beverly Hills zu fahren, auf den Anrufbeantworter gesprochen und um Rückruf gebeten. Am nächsten Morgen um neun Uhr rief ich in ihrem Büro an, aber eine Sekretärin teilte mir mit, sie hätte bis Mittag Vorlesungen.
    Es gab für mich auf dem Campus noch anderes zu tun.
Im Sekretariat des psychologischen Instituts saßen drei Sekretärinnen vor ihren Computerbildschirmen, und etliche Studenten standen vor dem Schwarzen Brett und studierten die Stellenanzeigen.
    Ich sagte: »Entschuldigen Sie«, und die Dame, die mir am nächsten saß, schaute auf. Jung, sehr hübsch, rothaarig.
    Ich zeigte ihr meine Visitenkarte und sagte: »Vielleicht können Sie mir behilflich sein. Ich suche einen Doktoranden namens Casey Locking.«
    »Der hat einen eigenen Raum unten im Keller, ist aber nicht oft hier. Arbeitet wohl meistens zu Hause.«
    Sie verschwand kurz und kam mit leeren Händen zurück.
    »Das ist ja komisch. Seine Mappe ist weg. Warten Sie mal.«
    Sie tippte irgendwas ein, und eine Liste mit Namen erschien auf dem Bildschirm. »Da haben wir ihn. Raum B 5331. Sie können das Telefon dahinten benutzen.«
    Ich tat es. Erfolglos. Trotzdem ging ich nach unten. Die meisten Kellerräume waren Labors. Ich klopfte an Lockings Tür, aber niemand öffnete.
    Wieder zurück im Sekretariat, sagte ich zu der Rothaarigen: »Nicht da. Schade. Er hatte sich um einen Job beworben, und ich wollte einen Termin mit ihm vereinbaren.«
    »Möchten Sie vielleicht seine Telefonnummer?«
    »Ja, das wäre nett.«
    Sie schrieb sie auf, und als ich draußen war, las ich sie: Der Nummer nach musste er in Hollywood Hills wohnen, nicht am Mullholland Drive.
    Also hatte er sich dort mit jemandem getroffen. Wahrscheinlich mit Cruvic.
    Seine Mappe war verschwunden. Ich ging zu einem der öffentlichen Telefone in der Eingangshalle und wählte die Nummer. Lockings seidige Stimme sagte: »Bin nicht da. Sagen
Sie was, oder lassen Sie’s bleiben.« Ich hängte ein und verließ das Gebäude.
    Zeit für einen Besuch bei den Historikern.
     
    Seacrests Büro war im obersten Stockwerk am Ende eines hallenden Ganges, von dem rechts und links mit Schnitzereien versehene Mahagonitüren abgingen. Die Tür zu seinem Zimmer stand offen, aber er war nicht da.
    Es war ein großer, kühler, blassgrün gestrichener Raum mit gewölbter Decke und bleiverglasten Fenstern, die geputzt werden mussten, und braunen, mit Messingringen gerafften Samtvorhängen, eingebauten Bücherregalen, einem angeschmuddelten, rosafarbenen Perserteppich, der einmal rot gewesen sein mochte.
    Hinter dem hässlichen, gut zwei Meter breiten viktorianischen Schreibtisch stand ein mit schwarzem Stoff bespannter, rückenfreundlicher Sessel. Davor waren drei rote Ledersessel arrangiert, die Risse des

Weitere Kostenlose Bücher