Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11
fast wie hypnotisiert, und ihr Gesicht war
ausdruckslos. Und auf einem Arm war ein Bluterguss. Ein großer. Dunkel und blau. Genau hier.«
Sie zeigte auf ihren eigenen Bizeps. »Eigentlich waren es mehrere Abdrücke. Wie von Fingern. Als ob jemand sie sehr fest gedrückt hätte. Ihre Haut war extrem weiß - eine schöne Haut -, deshalb war der Kontrast besonders deutlich, fast wie eine Tätowierung. Und die Blutergüsse sahen frisch aus - hatten noch nicht diese grünlich lila Färbung angenommen.«
Sie eilte zurück zur Tür, kämpfte mit den Tränen. »Das war’s.«
»Wie hat sie reagiert, als Sie hereinkamen?«, fragte ich.
»Sie hat rasch den Ärmel runtergezogen, ihr Blick wurde wieder klar, und sie hat gesagt: ›Hallo, Julia‹, als ob nichts passiert wäre. Dann hat sie ihr Make-up aufgefrischt und dabei munter darüber spekuliert, wie es wohl wäre, wenn man von Männern erwarten würde, immer ein makelloses Gesicht zu haben. Ich war ganz ihrer Meinung, und wir haben beide so getan, als wäre nichts passiert. Was hätte ich auch sagen sollen?Wer hat dir das angetan?«
Sie öffnete die Tür. »Vielleicht hatte es nichts zu bedeuten. Vielleicht hatte sie bloß eine empfindliche Haut, die schnell blaue Flecken bekam... aber als sie mich gebeten hat, bei dem Ausschuss mitzumachen, hatte ich wirklich das Gefühl, das sei ich ihr schuldig.«
Dunkle Blutergüsse auf weißer Haut.
Seacrests plötzliche Wut.
Ich stieg in meinenWagen und fuhr Richtung Pasadena.
Das Bürogebäude der Storm’schen Immobilienfirma war ein Flachbau im neospanischen Stil, umgeben von bunten Blumenbeeten und rot blühenden Jacarandabäumen. Ich bog auf den Parkplatz davor ein und hielt neben Milos Wagen,
just in dem Moment, als er ausstieg. Er hatte seine Aktentasche und einen Kassettenrecorder dabei und trug einen grauen Anzug mit weißem Hemd und rot-blau gestreifter Krawatte.
»Sehr elegant«, sagte ich mit einem Blick auf seine Cowboystiefel und versuchte, nicht zu lächeln.
»Wenn ich mit Geschäftsleuten zu tun habe, lege ich stets überaus großen Wert auf eine gepflegte Erscheinung.Wo wir gerade von Geschäft sprechen, ich habe ein paar Bars am Sunset Strip ausfindig gemacht, die Mandy Wright frequentiert haben könnte.«
»Könnte?«
»Wir haben noch keine eindeutigen Aussagen, aber zwei vielversprechende Zeugen. Zwei Barkeeper, die vor einem Jahr da gearbeitet haben, der eine im Club None, der andere im The Pit. Keiner von beiden will beschwören, dass sie es war, aber sie kam ihnen bekannt vor. Sie können sich bloß nicht erinnern, sie in Begleitung gesehen zu haben.«
»Aber immerhin wissen wir jetzt, dass sie in L. A. war.«
Er kreuzte die Finger. »Außerdem habe ich mit Gunderson gesprochen, dem Detective in Temple City, der damals Tessas Anklage gegen ihren Vater bearbeitet hat. Er konnte sich kaum noch an den Fall erinnern, aber er hat in seinen Unterlagen nachgesehen und gemeint, danach habe er die Sache nicht ernst genommen. Seiner Meinung nach war Tessa ein Fall für den Psychiater. An denVater konnte er sich vage erinnern. Ein netter Kerl, der seine Jugendstrafe freiwillig zugegeben hat, obwohl kein Anlass dazu bestand, sehr offen. Es sieht also mehr und mehr so aus, als sei Muscadine zu Unrecht beschuldigt worden. Können wir jetzt endlich mit diesem blöden Ausschuss fertig werden - bereit für Master Storm?«
»Einen Moment noch. Ich habe einen Hinweis bekommen, dass Hope misshandelt wurde.« Ich erzählte ihm Julia Steinbergers Geschichte und berichtete dann von meiner kurzen Unterhaltung mit Seacrest.
»Blutergüsse und ein Choleriker«, sagte er stirnrunzelnd. »Warum ist er sauer geworden?«
»Er war gleich von Anfang an sauer, lief rot an, als ich mit ihm über seine Ehe reden wollte.«
»Gut. Vielleicht wird er langsam nervös. Vielleicht sollte ich ihn jetzt noch ein bisschen bearbeiten... Wär doch ein Ding, wenn er sie jahrelang verprügelt hat und sie ein Buch darüber schreibt, wie Frauen sich verteidigen sollten.«
»Es wäre nicht das erste Mal«, entgegnete ich.
»Dass was?«
»Dass Stil wichtiger ist als Inhalt. Kleine Schubladen. Aber falls sie und Seacrest Probleme miteinander hatten, könnte der Erfolg des Buches ihr bei dem Entschluss geholfen haben, endlich auszusteigen. Vielleicht war der Ruhm so gesehen ihr Todesurteil. Aber was soll das mit Mandy Wright zu tun haben? Das ist mir ein Rätsel. Außerdem kommt noch etwas hinzu: Gestern Abend bin ich mal wieder an
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