Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11

Titel: Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
einer.«
    »Was wollen die von Ihnen?«
    »Dass ich die Stadt verklage, weil die Bäume nicht beschnitten worden sind.« Er bellte erneut. »Als ob es um Landschaftsgestaltung ginge.«
    »Und worum geht es?«
    »Um den Zusammenbruch unserer Ordnung - schade, dass ich keine gesunde Profitgier entwickeln kann. Einen Bestseller zu schreiben, das wäre doch was? Der trauernde Witwer. In jeder Talk-Show. In Hopes Spuren wandelnd.«
    »Hope war darin ziemlich gut.«
    »Hope war in allem gut. Verstehen Sie? Die Frau war außergewöhnlich. <
    Ich nickte.
    »In Wahrheit«, sagte er, »hat sie den Publicitykram verabscheut, aber sie wusste, er leistet gute Dienste.«
    »Hat sie Ihnen das gesagt?«
    »Ja, Delaware. Sie war meine Frau. Sie hat sich mir anvertraut.«
    Er zog den Verschluss von der Sprite-Dose und spähte in die Öffnung. »Mein Gott, wieso vertue ich eigentlich meine Zeit mit Ihnen - können Sie sich überhaupt vorstellen, wie es war, mit jemandem wie ihr unter einem Dach zu leben? Als ob man mit einem geliehenen Meisterwerk lebt - einem Renoir oder Degas. Es ist einem klar, man kann es nie besitzen, geschweige ganz verstehen, aber man ist dankbar.«
    »Geliehen, von wem?«, fragte ich.
    »Gott, dem Schicksal, das können Sie sich aussuchen.«
    Er nahm einen Schluck und stellte die Dose ab. »So, jetzt denkt er: War er eifersüchtig? Die Antwort lautet: Nein, ich war ehrfürchtig. Nächste Frage in seinem Psychoanalytikerhirn:
Was hat sie in ihm gesehen? Und die Antwort lautet: Manchmal habe ich mich das selbst gefragt. Und jetzt ist sie fort... und Ihr beschränkter Polizistenfreund meint, ich wäre der Täter - haben Sie sich viel mit Geschichte beschäftigt, Dr. Delaware?«
    »Seit der Schule nicht mehr, aber ich versuche, aus derVergangenheit zu lernen.«
    »Sehr löblich... Haben Sie je darüber nachgedacht, was Geschichte eigentlich ist? Eine Anhäufung von Fehlschlägen, Unzulänglichkeiten, Irrtümern, Charakterschwächen, blutigen Grausamkeiten, obszönen Fehltritten. Der Mensch ist ein so verkommenesWesen. Gibt es einen besseren Beweis für den Atheismus als die widerwärtige Natur dieses Abfalls aus Fleisch und Schwäche, der angeblich nach Gottes Ebenbild geschaffen wurde? Oder vielleicht gibt es eine übergeordnete Gottheit, und die ist ein ebenso inkompetenter Idiot wie alle anderen.Wäre das nicht spaßig - und jetzt lassen Sie mich bitte allein!«

20
    Es tat gut, wieder hinaus ins Sonnenlicht zu treten.
    Das Treffen im Büro von Kenneth Storm sen. in Pasadena sollte um eins sein. Julia Steinbergers letzte Vorlesung endete in zwanzig Minuten.
    Von einem Telefon in der Bibliothek aus versuchte ich erneut, Casey Locking zu Hause zu erreichen.Wieder nur das Band.
    In England war es jetzt schon spätabends, aber noch immer früh genug, um Hopes zweite Doktorandin, Mary Ann Gonsalvez, anzurufen.
    Aber wieder klingelte das Telefon erfolglos.

    Julia Steinberger schloss gerade die Tür zu ihrem Büro auf. Sie trug ein knielanges schwarzes Kleid und eine schwarze Achathalskette, und sie sah bedrückt aus. Als die Tür sich hinter uns schloss, blieb sie stehen.
    »Ich weiß nicht, ob ich jetzt das Richtige tue«, sagte sie, »aber es gibt etwas, das ich noch nicht erzählt habe. Wahrscheinlich ist es gar nicht wichtig - ich finde die ganze Geschichte abstoßend.«
    »Etwas über Hope?«, fragte ich.
    »Ja. Etwas - erinnern Sie sich, dass ich gesagt habe, nach meinem Gefühl sei sie missbraucht worden?«
    »Der wilde Blick.«
    »Das stimmt auch«, sagte sie. »Sie hatte diesen Blick. Aber... ich - da war noch etwas. Es war letztes Jahr - bei einem kleinen Fakultätsempfang nach irgendeiner Gastvorlesung.«
    Sie ging zum Schreibtisch und stützte die Hände flach auf die Platte.
    »Wir haben ein bisschen geplaudert, dann hat Hope sich zu einer anderen Gruppe gesellt, und Gerry und ich haben uns mit irgendwem unterhalten. Etwa eine Stunde später bin ich auf die Damentoilette gegangen, und da war sie, stand vor dem Spiegel. Es gibt einen kleinen Vorraum, der auch verspiegelt ist, und zwar so, dass man von da aus in den Hauptraum sehen kann. Der Vorraum ist mit Teppichboden ausgelegt, und ich vermute, sie hat mich nicht kommen hören.«
    Sie senkte den Blick.
    »Sie stand da und hat sich selbst untersucht. Ihre Arme. Das Kleid war schulterfrei, aber mit Ärmeln bis zu den Ellbogen. Sehr elegant. Sie hatte einen Ärmel hochgezogen und betrachtete ihren Oberarm. Sie hatte einen seltsamen Blick in den Augen -

Weitere Kostenlose Bücher