Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11
persönlichen Hintergrund in Erfahrung zu bringen.«
»Und deshalb hat man Sie beauftragt hierherzukommen.«
»Genau.«
»Sie sprechen von der Polizei in der dritten Person. Gehören Sie nicht dazu? Oder sind Sie bloß ein Wichtigtuer?«
»Ich bin Psychologe, Ms. Campos. Manchmal bin ich als Berater für die Polizei tätig.«
»Können Sie das irgendwie beweisen?«
Ich zeigte ihr meinen Ausweis.
Sie musterte ihn und gab ihn mir zurück. »Ich wollte nur sichergehen, dass Sie kein Reporter sind. Gegen die habe ich nämlich was, seit sie mal einen Artikel über mich und meine Hunde geschrieben und mich als verrückte Alte dargestellt haben.«
Sie fasste sich an das spitze Kinn. »Die kleine Hope. Ich behaupte ja nicht, mich an alle meine Schüler erinnern zu können, aber an sie erinnere ich mich. Okay, kommen Sie rein.«
Sie ging auf das Haus zu und überließ es mir, das Tor zu öffnen. Der Bouvier war mittlerweile fast hinter dem Haus verschwunden, aber als ich den Riegel zurückschob, fuhr er herum und kam auf mich zugeschossen.
»Der Mann ist in Ordnung, Leo«, sagte Elsa Campos. »Friss ihn nicht auf. Noch nicht.«
Ich folgte ihr die Verandastufen hinauf in ein schwach erhelltes Wohnzimmer, das mit billigen Möbeln und Futternäpfen vollgestellt war. Regale mit Töpfereien und Gläsern, Geruch von nassem Fell und Desinfektionsmitteln. Die Kuckucksuhr über dem Kamin schien eher aus San Diego zu stammen denn aus der Schweiz.
Ein kleiner Raum, kaum drei Schritte bis zur Küche. Sie bat mich, Platz zu nehmen, und ging in die Küche. Auf der Arbeitsplatte sah ich einen Fön, mehrere Flaschen Hundeshampoo, einen Mikrowellenherd und eine Hundekiste aus Plastik. Darin lag etwas Kleines und Weißes und Regloses. Auf der Kiste standen Glasampullen, Spritzen, Verbandszeug.
»Hallo«, sagte Elsa Campos und steckte die Finger durch die Drahttür. Der kleine Hund leckte sie ab und winselte.
Einen Moment lang sprach sie beruhigend auf ihn ein. »Ein Weibchen, Shih-Tzu, ein Jahr alt. Als ich sie bekommen habe, war sie nur noch Haut und Knochen, im Tierheim wollten sie sie schon einschläfern. Sie wird nie wieder ganz gesund, aber sie wird sich an die anderen gewöhnen. Leopold macht das schon. Er ist die Nummer eins, der Leithund des Rudels. Er kümmert sich um die Schwachen.«
»Das ist schön«, sagte ich und musste plötzlich an Milos fleischiges Gesicht, seine schwarzen Brauen, hellen Augen und bedächtigen Bewegungen denken.
»Möchten Sie etwas trinken?«
»Nein, danke.« Ich versank zwischen weichen Kissen in einem Sessel mit grauem Schonbezug. Zu beiden Seiten der Kuckucksuhr hingen vergilbte Fotos mit Landschaftsaufnahmen.
Sie nahm eine Dose Bier aus dem alten Kühlschrank. »Haben Sie Angst, Sie könnten sich hier bei mir was holen wegen der vielenTiere, wie im Zoo?« Sie öffnete die Dose und nahm einen Schluck. »Ich sage Ihnen, es ist ein sauberer Zoo. Gegen den Geruch kann ich nichts machen. Aber nur weil ich verletzte Tiere aufnehme, muss das noch lange nicht heißen, dass ich im Dreck lebe.«
»Da haben Sie recht.«
»Erzählen Sie das mal den beiden.«
»Den Botulas?«
»Den Botulas«, sagte sie wieder so, als wollte sie mich nachäffen. »Monsieur und Madame Sherlock.« Sie lachte. »Gleich in der ersten Woche nach ihrer Ankunft haben die angefangen, mit dem alten Dienstwagen rumzufahren, als ob sie hier wirklich was zu tun hätten. Wie in ›Polizeibericht‹ - an die Serie können Sie sich bestimmt nicht mehr erinnern, dazu sind Sie zu jung.«
»Bitte nur die Fakten, Ma’am«, sagte ich mit gespielter Detective-Stimme.
Ihr Lächeln war kürzer als ein Wimpernschlag. »Was für Fakten wollen Sie denn hier herausfinden? Das Unkraut ist wieder zwei Zentimeter gewachsen? Schicken Sie Proben davon ans FBI?« Sie nippte wieder an ihrem Bier. »Das ist vielleicht ein Pärchen. Fahren immer rauf und runter, rauf und runter, rauf und runter. Als sie in der ersten Woche hier vorbeikamen, haben sie meine Herde da draußen gesehen, sind ausgestiegen und haben am Tor gerüttelt. Ich muss Ihnen wohl nicht sagen, wie sich meine Tierchen aufgeregt haben. Ich hatte damals einen Golden Retriever mit drei Beinen, ein richtiger kleiner Kläffer.« Sie lächelte. »Als ich rauskam, um dem Krawall auf den Grund zu gehen, standen die beiden da und versuchten, die Hunde zu zählen, haben alles aufgeschrieben. Dann hat sie mich von oben bis unten gemustert, und er hat angefangen, mir was über die
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