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Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11

Titel: Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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wenn sie kein Kind gehabt hätte. Seien wir doch mal ehrlich - manche Frauen machen sich nun mal nicht die Mühe, etwas zu lernen, wenn’s auch anders geht. An dem Tag, als Lottie hier in Higginsville ankam, ist sie in ihre Baracke gegangen, und noch am gleichen Abend kam sie mit einem knallengen roten Kleid wieder heraus, wie eine wandelnde Leuchtreklame.«
    »Ist sie mit dem Barbesitzer zusammen nach San Francisco gegangen?«
    »Das weiß ich beim bestenWillen nicht, aber wieso hätte er sie mitnehmen sollen, wo es da doch von jungen Hippiemädchen nur so wimmelte? Für seine Branche muss sie da schon zu alt gewesen sein.«
    »Wie hieß der Mann?«
    »Kruvinski. Ein polnischer oder jugoslawischer oder tschechischer Name. Die Leute haben erzählt, er wäre im Zweiten Weltkrieg General gewesen, hätte aus Europa Geld mitgebracht, sei dann nach Kalifornien gekommen und habe Land aufgekauft.Warum fragen Sie?«
    »Hope hat für einen Arzt namens Milan Cruvic gearbeitet.«
    »Ach nein«, sagte sie lächelnd. »Anscheinend haben Sie Ihre erste Spur. Kruvinskis Vorname war nämlich auch Milan. Aber alle nannten ihn bloß Micky. Big Micky Kruvinski, weil er so dick war.« Sie deutete mit den Händen einen enormen Leibesumfang an. »Er war zwar auch groß, aber vor allem dick. Überall. Hatte einen dicken Hals, dicken Bauch, dicke Lippen. Einmal, als ich mit meinem zweiten Mann in
Bakersfield war, sind wir ihm begegnet. Er saß gerade beim Frühstück. Breites Lächeln, sympathischer, kräftiger Händedruck, man sah es ihm nicht an. Aber Joe - mein Mann - hat mich von ihm weggelotst und gesagt, Ellie, du hast ja keine Ahnung, was der Kerl so treibt. Wie alt ist Dr. Cruvic?«
    »Ungefähr so alt wie Hope.«
    »Dann muss es sein Sohn sein. Big Micky hatte nämlich nur ein Kind. Den kleinen Micky. Er und Hope waren in Bakersfield in derselben Klasse. Er war der Junge, der diesen Brooke-Hastings-Preis zusammen mit Hope gewonnen hat. Alle haben das für eine abgekartete Sache gehalten, aber wenn er Arzt geworden ist, war er vielleicht wirklich intelligent.«
    »Warum hat man geglaubt, die Sache sei abgekartet gewesen?«
    »Weil Big Micky die Firma gehörte, diese Brooke-Hastings Company. Und der größte Schlachthof der ganzen Stadt und Verpackungsfabriken und Automaten und Tankstellen und Land. Nicht zu vergessen die Clubs. Der Mann hat einfach ununterbrochen gekauft und gekauft.«
    »Lebt er noch?«
    »Weiß ich nicht. Ich fahre nie in die Stadt, bleibe hier und kümmere mich um meine eigenen Angelegenheiten.«
    Sie nahm den Pokal in die Hand und klopfte mit dem Fingernagel darauf. Die Vergoldung war schlecht, und einige Splitter platzten ab und schwebten zu Boden. »Joe, mein Mann, war Raucher, vier Päckchen am Tag, und schließlich hat er ein Lungenemphysem bekommen. An dem Tag, als Hope mich besucht hat, lag er hinten im Schlafzimmer und hatte die Sauerstoffmaske auf. Nachdem sie weg war, bin ich zu ihm und habe ihm den Pokal gezeigt und den Zeitungsartikel, den sie mir mitgebracht hatte, und er musste
laut losprusten. Er hat derartig geschnauft, dass er fast ohnmächtig geworden wäre. Ich habe gefragt, was ist denn daran so lustig, und er hat gesagt, rate mal, wer bei den Jungs gewonnen hat? Der Junge von Big Micky. Dann hat er wieder gelacht und gesagt, ich nehme an, die Schlampe hat Überstunden gemacht, um ihrer Tochter zu helfen. Ich fand das ekelhaft. Ich war so stolz gewesen, weil ich Hopes Lehrerin war, und dann fühlte ich mich wie geohrfeigt. Aber ich habe nichts gesagt, schließlich streitet man sich nicht mit einem Menschen in diesem Zustand. Außerdem hatte ich den Verdacht, etwas Wahres könnte dran sein, schließlich wusste ich ja, wie Lottie war. Trotzdem, Hope war wirklich ungemein begabt, und ich denke bestimmt, dass sie es verdient hatte. Was für ein Arzt ist der kleine Micky denn geworden?«
    »Gynäkologe.«
    »Einer, der in Frauen rumstochert? Na, der Apfel fällt wahrhaftig nicht weit vom Stamm, oder? Und Hope hat für ihn gearbeitet?Warum?«
    »Er macht Fertilitätsbehandlungen«, sagte ich. »Berichtete uns, Hope hätte Beratungsgespräche mit Patientinnen geführt.«
    »Fertilität«, sagte sie. »Das ist doch ein Witz.«
    »Wieso?«
    »Dass der Sohn von Big Micky dem Leben auf die Sprünge hilft. Ist er seriös?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Es wäre schön, wenn er seriös wäre. Wenn es den beiden, ihm und Hope, gelungen wäre, ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen. Wenn er wirklich dem Leben

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