Wofuer es sich zu sterben lohnt
Verbindung zwischen ihnen schaffen würde.
»Ich hatte ein junges Mädchen, das für die Eheschließung Geld bekommen hat. Und jetzt hat sie schreckliche Angst, weil der Mann glaubt, bei dem Handel müsste auch Sex he rauskommen. Und damit hatte sie nicht gerechnet.«
Bosse sah ihr zum ersten Mal ins Gesicht und fragte:
»Und was hast du gemacht?«
»Ich habe ihr offiziell bestätigt, dass er sie nicht schlagen oder bedrohen und keinen Sex gegen ihren Willen mit ihr haben darf. Das wird wohl reichen, hoffe ich.«
»Und das hat Spaß gemacht? War es lustig, Gott zu spie len?«
»Wie meinst du das?«
»Du spielst Gott. Du amüsierst dich damit, das Gesetz von Ursache und Wirkung aufzuheben. Du versuchst dafür zu sorgen, dass diese Frau nicht für ihre Taten die Verant wortung tragen muss. Du schließt nachsichtig die Augen, obwohl sie die Gesetze missachtet hat, an die wir uns hier in dieser Gesellschaft alle zu halten haben. Du pfeifst auf die Regeln, für deren Überwachung du bezahlt wirst.«
Er ließ sich im Sessel zurücksinken.
Monikas Lächeln war verflogen. Der Mann war doch ein fach unmöglich - wollte er sie wirklich gleich herunterma chen? Er würde schon sehen, dass sie sich wehren konnte.
»Bist du so phantasielos, dass du dich nicht in ihre Lage versetzen kannst? Hast du je davon gehört, dass der Mensch an erster Stelle stehen muss? Hast du je von vorbeugender Arbeit gehört? Lass mich auf dem Sessel sitzen.«
Er ließ sich noch weiter zurücksinken und erwiderte ge hässig:
»Und hast du je von Professionalität gehört? Du führst dich auf wie eine Gesellschaftskuh, die gute Taten bege hen möchte. Wir sollen hier keine guten Taten vollbrin gen, sondern unsere Arbeit tun. Und unsere Arbeit besteht darin, die Gesetze einzuhalten, nicht darin, blöde Gören, die irgendeinen ihnen unbekannten Scheißpsychopathen heiraten, zu verhätscheln, wenn sie dann sehen, was sie an gerichtet haben.«
Er schien ihr den Sessel nicht überlassen zu wollen, er wollte offenbar kein rehabilitationsfreundliches Klima ent wickeln, vielleicht wollte er sie ganz einfach bestrafen?
Monika lächelte freundlich.
»Na gut, behalt den Sessel, wenn das für dich so wichtig ist. Ich gehe wieder runter und spiele noch eine Runde die Gesellschaftsklassenkuh, wer weiß, vielleicht weiß das ja jemand zu schätzen.«
Und als sie das Zimmer verließ, hörte sie seine Stimme, schon leiser:
»Es ist nicht unsere Aufgabe, geschätzt zu werden, so was führt nur dazu …«
Monika bedauerte nicht, den Rest des Satzes nicht ge hört zu haben.
Gymnasium Tallhöjden
An dem Freitagmorgen, als Monika Pedersen endlich ge sund genug war, um in den Dienst zurückzukehren, saß Theo in der Aula des Gymnasiums Tallhöjden im südli chen Stockholm.
Die Lehrer standen wie Linienrichter an den Wänden. Ihre wachsamen Blicke schweiften über alle 476 Schülerin nen und Schüler, die weder schwänzten noch krank waren. Auf dem Podium sprach eine Frau mittleren Alters, und hinter ihr wanderte der Rektor langsam hin und her. Körper und Seele waren im Gleichklang, sein langer Körper beugte sich hierhin und dorthin, mit derselben Biegsamkeit, die seine Meinungen und Prioritäten kennzeichnete.
Diesmal war sein Projekt ausnahmsweise ein Stück weiter gediehen. Es ging dabei um einen Vortrag über fehlenden Respekt. Die Rednerin war eine Vertreterin der UNESCO. Des Rektors wissendes und weltgewandtes leichtes Lächeln führte sein eigenes Dasein unter einem spärlichen Schnurr bart. Diese Veranstaltung hier würde sich im bevorstehen den Wochenbericht an die Eltern gut machen. Er verdräng te widerwillig diese erhebende Vorstellung und hörte wie der zu.
Die Stimme der Rednerin klang jetzt ein wenig schrill.
»… und dazu gehört natürlich auch, mit Respekt behan delt zu werden. Und nicht zum Beispiel als Hure bezeich net zu werden.«
»Und wenn eine eine Hure ist?«
Die Lehrer versuchten vergeblich, die Herkunft der Stim me zu lokalisieren. Es gab einfach zu viele, die mit über das halbe Gesicht gezogenen Baseballmützen auf ihren Stüh len hingen.
Die Frau auf dem Podium stellte sich taub. Überdeutlich, als mutmaßte sie, Erklärungen seien leichter zu verstehen, wenn sie langsam wiederholt würden, sagte sie jetzt:
»W… wir alle müssen uns darum bemühen, den Men schen in unserer Umgebung Respekt zu erweisen …«
Respekt.
Respekt war ein wichtiges Wort für Juri. Er wurde respek tiert. Und es war kein Respekt, der ihm
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