Wofuer es sich zu sterben lohnt
Mittwochvormittag
»Du hast recht gehabt«, sagte Monika am nächsten Mor gen zu Daga. »Ich habe wirklich einen Namen ausfindig machen können, einen Inspektor bei der Bundespolizei in Äthiopien. Erik B. hat mit ihm in Südafrika einen Kurs be sucht. Ein guter Kurs, sagt Erik. Ich habe gestern Nachmit tag ein Fax geschickt, und die Antwort lag heute Morgen auf unserem Schreibtisch. Sie wollen versuchen, Theo zu finden. Unglaublich.«
»Das klingt doch ermutigend. Habt ihr schon mit der Freundin gesprochen?«
»Nein. Wir sind heute um elf Uhr mit ihr verabredet. Aber wir brauchen Hilfe. Wir haben noch kaum weitere Vernehmungen machen können, und Erinnerungen sind doch Frischware.«
»Das brauchst du mir nicht zu sagen. Leider kann ich euch gerade keine Verstärkung geben. Ich brauche überall mehr Leute, so ist das. Wir müssen eben unser Bestes tun, ihr müsst eure Prioritäten so klug wie möglich setzen.«
»Hab ich’s nicht gesagt?«, murmelte Bosse.
»Ja, was hast du gesagt, Bosse?«, fragte Daga mit scharfer Stimme. »Das interessiert mich.«
»Nichts.«
»Bosse, ich möchte hören, was du gesagt hast. Es ist mei ne Pflicht, mich auf dem Laufenden zu halten.«
»Ich kann nicht begreifen, was das für eine Rolle spielen soll. Und wenn du es absolut wissen musst, dann habe ich zu Monika gesagt, dass ich nicht glaube, dass wir mit Ver stärkung rechnen können.«
Noch eine solche Frage, und er verliert die Beherrschung. Wenn sie noch ein bisschen weitermacht, dann passiert et was Spannendes.
Aber Daga setzte Bosse nicht mehr zu, vielleicht aus Selbsterhaltungstrieb. Sie fragte:
»Und wie soll es jetzt weitergehen?«
»Wir wollen weiter mit unseren Zeugen sprechen. Und abwarten, ob aus der Öffentlichkeit noch Hinweise kom men.«
Da klang nicht gerade aufregend. Das klang nach dem perfekten Fall für zwei Teilzeitarbeitende, die auf ihrer eige nen kleinen Bahn trotten, während andere in vollem Tem po vorüberrauschen.
»Habt ihr euch schon mal überlegt«, fragte Bosse mit ge presster Stimme, als habe er mit knapper Not vermieden, sie alle beide zu verfluchen, »dass nicht feststeht, dass wirk lich Theo geflogen ist?«
Als keine Antwort kam, fügte er hinzu: »Viele Jugendliche haben lieber einen Pass bei sich als ei nen Personalausweis, wenn sie unterwegs sind. Theo kann durchaus seinen Pass bei sich gehabt haben, ohne irgendwel che Reisepläne zu hegen. Nehmen wir an, er kommt dazu, als der Messerstecher Juri gerade umbringt. Nehmen wir an, er wird als Geisel genommen oder niedergestochen, kann aber fliehen, was weiß ich. Der Täter nimmt seinen Pass.«
Monika schüttelte den Kopf.
»Aber bei der Ausreise wird auf das Passfoto geschaut. Oder meinst du, dass Juri von einem anderen unbekann ten jungen Äthiopier erstochen worden ist, der deshalb das Land in aller Eile verlassen und zufällig Theo so ähnlich sieht, dass er seinen Pass benutzen kann?«
»Du brauchst mir nicht zu erzählen, wie die Passkontrol le vor sich geht. Ich bin zwar in Säffle geboren, aber deshalb bin ich noch lange kein ahnungsloses Landei.«
»So habe ich das auch nicht gemeint. Nimm doch nicht immer alles so persönlich!« Monikas aufgestaute Irritation ließ sie jetzt lauter werden.
»Und wie soll ich es sonst nehmen?« Er starrte sie wü tend an.
»Als Kommentar, Hypothese. Als Reaktion darauf, was du gesagt hast. Als kollegiales Gespräch.«
»Wenn hinter dem, was du sagst, ein wenig mehr Gedan ken steckten, dann wäre es leichter, es als kollegiales Ge spräch zu betrachten. Du kannst doch nicht übersehen ha ben, dass wir hier in diesem Land Flüchtlingslager haben? Du kannst nicht übersehen haben, dass die, die mit einem Pass hier eintreffen, den abgeben müssen, und dass wir die Leute jahrelang gefangen halten, während die Mühlen der Bürokratie sich drehen? Längst nicht alle Flüchtlinge sind arm, und es ist ein lukratives Geschäft, so manchen wie der aus dem Land herauszuhelfen! Theos Pass könnte da so allerlei einbringen. Und dann wirst du da unten nicht die kleinste Spur von ihm finden. Da er ja niemals dort ge wesen ist.«
Daga ließ sie weitermachen, hörte zu und zupfte sich am Pony.
Monika versuchte, sich vernünftig anzuhören.
»Okay. So weit hatte ich wirklich nicht gedacht. Das setzt voraus, dass irgendjemand in dieser Geschichte gewusst hat, wie der Pass verkauft werden konnte. Und dann den ken wir vermutlich weit über die Klasse hinaus.«
»Natürlich müssen wir weit über die
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