Wofuer es sich zu sterben lohnt
sprechen, ihr Bauwerk mit seinem vergleichen, Ähnlichkeiten und Unterschiede hätte diskutieren können.
Auf dem Heimweg stellt sich plötzlich das schlechte Ge wissen ein. Sie hatten doch versprochen, Mariam anzuru fen, Theos Mutter, sowie sie etwas hörten. Das hatte sie vergessen. Außerdem hatten weder Gerichtsmedizin noch Spurensicherung sich gemeldet.
Sie konnte auf dem Heimweg kurz in ihr Arbeitszimmer schauen. Streng genommen war es kein Umweg. Herrlich.
Es war halb fünf, als sie dort eintraf. Sie rief als Erstes bei der Gerichtsmedizin an. Dort war so lange besetzt, dass die Verbindung unterbrochen wurde.
Auch bei der Spurensicherung hatte sie kein Glück.
Mariam dagegen meldete sich fast sofort.
Als sie hörte, dass Monika von der Polizei aus anrief, wurde sie zuerst ganz still, dann fiel es ihr schwer, auch nur ein Wort herauszubringen, als sie fragte, ob sie etwas über Theo wüssten.
»Ja. Es sieht so aus. Offenbar ist er am Sonntagabend nach Addis Abeba geflogen.«
Es wurde noch stiller.
»Nach Addis Abeba?«
»Ja. Überrascht Sie das?«
Eine Antwort bekam sie nicht.
»Kann er zu seinem Vater gewollt haben?«
»Neeeein.«
»Sie haben da unten vielleicht noch andere Verwandte?«
»Schooon …«
»Er hat sich nicht bei Ihnen gemeldet? Keine SMS oder Mail geschickt?«
»Nein. Nichts.«
»Was glauben Sie, warum er nach Addis Abeba geflogen ist?«
»Ich weiß nicht.«
Das war hoffnungslos. Schon im persönlichen Gespräch war es schwer genug gewesen, am Telefon war dieses Ge spräch einfach unmöglich.
»Übrigens, da ist noch etwas. Wir wüssten gern, woher Theo die Narbe an seinem Unterarm hat.«
»Das war ein Unfall.«
»Können Sie noch mehr erzählen?«
»Nur ein Unfall.«
Und Monika sagte nicht: Herrgott, wenn wir deinen Sohn finden sollen, musst du uns ja wohl wenigstens ein paar Fragen beantworten. Was glaubst du wohl, wie wir ar beiten? Mit Telepathie?
Sie gab stattdessen auf. Sie schlug ein Treffen an einem der nächsten Tage vor, vielleicht auf der Wache, wo sie dann weiterreden könnten. Sie versprach, sich zu melden, wenn sie etwas Neues hören würde, und bat Mariam, das genau so zu handhaben.
Es war frustrierend. Ihre Arbeit wäre so viel leichter ge wesen, wenn die Leute einfach ein wenig mehr Vertrauen zur Polizei gehabt hätten. Es verletzte sie, auf Misstrauen zu stoßen, wo sie doch nur das Beste wollte.
Diese unfruchtbaren Gedanken wurden durch ein ener gisches Klopfen an ihre Tür unterbrochen. Es war der Zim mernachbar, der eine dicke Sendung der Hauspost über reichte.
»Für dich von Erik aus der Wirtschaftskriminalität.«
Im Umschlag lag eine Kopie eines offiziell aussehenden Faxes.
Der Briefkopf war in fremden Buchstaben geschrieben, darunter stand aber auf Englisch The Federal Ethiopian Po lice, gefolgt von einem kleinen Gruß an Erik und der Hoff nung auf ein baldiges Wiedersehen. Unterschrieben hatte »Inspektor Tigist HaileGaebriel.«
Auf das Fax hatte Erik geschrieben:
Wende dich an Tigist - spricht gut Englisch, ist nett und zuverlässig, grüß von mir. Solltest faxen, E Mail klappt nur selten. Willkommen zurück im Dienst, Erik.
Monika setzte sich und schrieb einen Brief.
Die Stockholmer Polizei, schrieb sie, suche einen schwe dischen Staatsbürger äthiopischer Herkunft. Es handele sich um den siebzehnjährigen Theodoros (Theo) Gebre Selassie, der am Montagmorgen aus Stockholm in Addis Abeba eingetroffen sei.
Sie fügte Geburtsdatum, Flugnummer und sicherheits halber auch den Namen seiner Mutter hinzu, Halleluja Ge breSelassie.
Halleluja, Himmel - sie konnte verstehen, dass Mariam sich lieber Mariam nannte.
Sie fragte, ob Inspektor Tigist glaube, es wäre möglich, Theo in Addis Abeba ausfindig zu machen. Sie fügte hin zu, dass Theo möglicherweise wichtige Informationen über einen Mordfall besitze, in dem sie gerade ermittelte. In ei nem PS grüßte sie von Erik.
Es kam ihr fast töricht vor, das Fax loszuschicken. Die Faxnummer konnte sich geändert haben. Tigist HaileGae briel könnte auf eine andere Stelle oder an einen anderen Arbeitsort gewechselt sein.
Die Tatsache, dass der Brief noch immer im Faxgerät lag, nachdem sie ihn losgeschickt hatte, gab ihr wie immer das Gefühl, dass er eigentlich gar nicht unterwegs war.
Im Flugzeug zwischen Rom und Gaborone, Botswana
Blaue Augen.
Er war mit blauen Augen geboren worden.
Bösen Augen.
Sklavenaugen.
Sein Blick machte Angst und verwirrte.
Als er alt genug gewesen
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