Wofuer es sich zu sterben lohnt
Klasse hinausden ken. Wir wissen zum Beispiel nicht, woher Juri sein Geld hatte - er war auf seine Weise teuer gekleidet. Wir wissen nicht, mit wem er in seiner Freizeit zusammen war. Es ist eine Wahnsinnsarbeit, diese Informationen zu bekommen. Wir sind zwei Menschen, die vier Stunden am Tag arbeiten. Die Frage ist, ob das überhaupt Sinn hat.«
Daga ließ sich zurücksinken.
»Da ist es doch ein Glück, Bosse, dass du dir diese Frage nicht zu stellen brauchst. Sondern ich. Ich bin zufrieden mit der Arbeit, die ihr bisher geleistet habt. Natürlich wäre es besser, wenn ich diesem Fall Vorrang einräumen könnte. Aber das geht nun einmal nicht. Ihr müsst innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen arbeiten. Man muss bei einer Ermittlung doch nicht immer alles wissen. Erledigt die Vernehmungen, dann werden wir ja sehen, wie es wei tergeht. Es wird interessant sein zu hören, was die Freundin zu sagen hat, vor allem über Theo.«
Bosse bedachte Daga mit demselben herablassenden Blick, den er sonst für Monika hatte.
»Das sehe ich nicht so. Es gibt wohl keine Schulklasse, wo die Schüler sich nicht untereinander verlieben. Aber die meisten bringen sich trotzdem nicht gegenseitig um.«
Keine der beiden würdigte ihn eines Kommentars.
Daga erhob sich, ihre Zeit war um, jetzt sollten sie wei terkämpfen. So weit sie es schafften, es war ja schon Viertel nach zehn. Um elf würden sie endlich Helena treffen. Hele na, die in Monikas Augen aussah wie Barbie und die von den anderen für die Schönste in der Klasse gehalten wurde.
Monika hatte den Kampf um den Schreibtischsessel auf gegeben. Wenn er so wichtig für Bosse war, dann sollte er ihn doch behalten. Das Problem war nur, dass auf diese Weise nur er Zugang zum Computer hatte, und jetzt stieß er einen Pfiff aus.
»Sieh dir das an!«
Monika lief um den Schreibtisch, schaute kurz auf den Bildschirm und steuerte die Tür an.
Jetzt war er zu weit gegangen, kilometerweit sogar. Seine Reha war ihr egal, es war ihr egal, dass von Frauen in män nerdominierten Berufen möglicherweise ein wenig mehr Toleranz verlangt werden kann. Jetzt war Schluss. Jetzt blieb ihr nur eines, nämlich zu Daga zu gehen, Bosse wegen se xueller Belästigung anzuzeigen und einen anderen Arbeits partner zu verlangen.
Denn der Bildschirm hatte ein pornographisches Bild ge zeigt, das Amateurfoto eines fast bewusstlosen jungen Mäd chens und einiger Jungen. Das Partykleid des Mädchens war bis zur Taille hochgeschoben, der Junge, der in es ein gedrungen war, hatte die Hose um die Waden hängen.
Es war ein abstoßendes Bild. Ihre Hand lag schon auf der Türklinke, als Bosse sagte:
»Sag mal, hast du den Verstand verloren? Wofür hältst du mich eigentlich? Komm zurück, auf dem Bild, das ist doch Juri. Irgendjemand muss das an uns gemailt haben.«
Widerwillig ging sie zurück. Das Bild war unbeholfen eingescannt worden, aber es war nicht schwierig, Juri und den rothaarigen Jungen an seiner Seite zu erkennen. Der Absender schien eine Einmaladresse zu sein, zeuge@hot mail.com .
Sie holte das Klassenfoto.
»Der Rothaarige heißt Sebastian. Keine Ahnung, wer das Mädchen ist.«
Konnte das Helena sein? Nein, das wohl kaum - Hele na hatte hellere Haare und längere Beine. Dieses Mädchen schien niemandem aus der Klasse zu ähneln.
Verdammt. Das Letzte, was sie brauchen konnten, war eine weitere Spur, die ins Unbekannte führte.
Monika musste einfach laut denken.
»Wer kann uns das geschickt haben? Und warum?«
Bosse zuckte mit den Schultern.
»Wir werden wohl Sebastian herholen müssen. Wenn wir mal Zeit für so was haben. Wenn wir je so weit kommen. Dann erfahren wir, wer das Mädel ist, und dann werden wir sehen, ob uns das weiterhilft. Ich drucke das Bild aus.«
Während sie auf Helena warteten, rief Monika noch ein mal bei der Gerichtsmedizin an, und diesmal meldete sich endlich jemand.
»Nicht einmal für dich, Monnicka, können wir schnel ler arbeiten«, sagte Derek Cramer, der seit ganz kurzer Zeit Professor war. »Frühestens Ende der Woche können wir uns ihn ansehen, und du brauchst mir nicht zu erzählen, was für ein Riesenproblem das für euch ist, das weiß ich auch so.«
Er klang trotz der Arbeitsüberlastung so gut aufgelegt wie meistens. Das war beruhigend.
»Ehrlich gesagt ist das kein großes Problem. Wir arbeiten auf halber Flamme, haben eigentlich noch kaum angefan gen. Also mach dir unseretwegen keinen Stress.«
Derek lachte.
»Auf halber Flamme? Seit wann
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