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Wofuer wir kaempfen

Wofuer wir kaempfen

Titel: Wofuer wir kaempfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tino Kaeßner , Antje Kaeßner
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und sorgenvoll blickende Eltern. Eine Luft zum Schneiden, heiß und stickig, voll Spannung und Erwartung, alles in drangvoller Enge eines Raums, der kaum 20 Meter lang und gesteckt voll ist. Beim Bau des Flughafens hatte kein Mensch daran gedacht, dass hier einmal Hunderte Soldaten von Auslandseinsätzen der Bundeswehr einschweben würden. Damals habe ich noch geraucht. Ich bin in einer Tour nach draußen und habe
mir eine angesteckt. Ich war schon ganz tattrig. Ich wusste ja nicht: Sitzt er wirklich da drin? Ist irgendetwas im letzten Moment dazwischengekommen? Die Maschine hatte große Verspätung.
    Es war dunkel, kalt, nass. Und es war 22 Uhr, als sich nach stundenlangem Warten endlich die Tür des abgeschirmten Bereichs öffnete und die ersten Soldaten herauskamen. Einer nach dem anderen kam durch die Tür. Nur Tino nicht – man guckt weiter und wartet und das Herz schlägt einem Löcher bis in die Magengrube. Um mich herum ein Meer der Freude und des Wiedersehens. Lange, wortlose Umarmungen. Tränen. Erleichterung nach wochenlanger Angst. Neben mir beugt sich ein Vater zu seinen Kindern hinunter und nimmt beide auf den Arm. Die Mutter etwas hilflos daneben, völlig aufgelöst – alle vier weinen. Neidisch schaue ich auf Paare, die sich küssen, als wären sie alleine. Wo ist Tino?
    Dann kam er und sah noch besser aus als vor dem Einsatz. Braun gebrannt, völlig entspannt und erholt sah er aus, wie frisch aus dem Urlaub. Das einzig Irritierende war die sandfarbene Tarnuniform für den Wüsteneinsatz. Ich war total erleichtert, ihn so zu sehen – andererseits begann sofort wieder das Kneifen im Bauch, wie er auf mich reagieren würde.
    Sekunden später hatte ich eine für mich sehr erleichternde Antwort. Wir haben uns lange geküsst und sind dann Hand in Hand bzw. Arm in Arm zum Parkplatz und haben uns noch mal geküsst, bevor wir ins Auto gestiegen sind. Wir sind sofort in meine Wohnung gefahren und noch war alles wie im Brief. Ich habe Tino noch ein paar Nudeln mit Tomatensoße gekocht, aber das Badewasser habe ich schon nicht mehr eingelassen. Er war groggy. Ich war groggy. Und so sind wir ganz schnell schlafen gegangen. Es war nichts von all dem, was ich ihm in den vergangenen Wochen in meinen Briefen nach Afghanistan geschrieben hatte. Es klingt langweilig – wenn es
denn langweilig sein kann, mit einem Menschen, den man liebt, Arm in Arm einfach zu kuscheln und einzuschlafen. Mein letzter Blick an diesem Abend ging zu Kater Zwerg, meinem alten Freund. Doch der hatte es sich auch schon hoch oben in seinem Kratzbaum gemütlich gemacht und war in den Meditationsmodus übergegangen.
    Morgens um sechs klingelte der Wecker und wir sind ohne Frühstück Richtung Bayern aufgebrochen. In Murnau haben wir nur sein Vollgepäck abgestellt, Tino hat seine Uniform ausgezogen und alles zusammengepackt, was er für das Weihnachtsfest bei seinen Eltern brauchen würde. Am frühen Abend ging es gleich weiter nach Chemnitz zu Tinos Eltern. Kurz vor dem Ziel kamen wir in einen Schneesturm, der Schnee fiel immer dichter und wurde tiefer und tiefer, weil die Räumfahrzeuge nicht mehr nachkamen. Der Verkehr ist in dieser Nacht zusammengebrochen und wir hätten die Nacht fast auf der Autobahn verbringen müssen. Nach stundenlanger Fahrt haben wir schließlich völlig erschöpft unser Ziel erreicht. Das war Teil zwei unseres Wiedersehens.
    Auf der ganzen Glatteisfahrt von Bonn nach Murnau und von Murnau nach Chemnitz haben wir kaum miteinander gesprochen. Über seinen Einsatz hat Tino fast nichts erzählt. Es ist üblich bei Soldaten, das ihre Angehörigen zu Hause wenig erfahren, was sich bei den Einsätzen abspielt – denn je mehr sie wissen, desto mehr Sorgen machen sie sich. Ich erinnere mich, dass Weihnachten vor einem Jahr unser bester Freund in Afghanistan nur ganz knapp überlebt hat. Eine Panzerfaust ist in den Motorblock seines Fahrzeugs eingeschlagen. Zum Glück ist nur die Treibladung explodiert. Der gepanzerte Fahrgastraum mit den Soldaten hatte nichts abbekommen – aber wäre das Auto nur ein bisschen schneller gefahren, hätte die Panzerfaust die Mitte des Wagens mit den Soldaten getroffen und vermutlich alle getötet. Das hat er uns so nebenbei erst
Wochen später erzählt. Die Gefahr des Todes schwebt immer über den Familien. Und so versuchen die Heimkehrer auch zu Hause möglichst alles zu verdrängen.
    Nachwehen des Einsatzes
    Für viele Soldaten beginnt die Rückkehr aus dem Einsatz mit einer Art

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