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bekommen.
Die Fahrten nach Faizabad waren immer 14 Stunden Abenteuer, eine Fahrt ins Ungewisse. So müssen sich die Entdecker des vorigen Jahrhunderts gefühlt haben. Oder Alexander der Große, der hier auf derselben Strecke mit seinem Heer durchgezogen ist, um Faizabad seinem hellenischen Königreich Baktrien einzuverleiben. Die Stadt zieht sich entlang einer Schleife des Flusses Kookcha. Pappeln prägen das Stadtbild: Eine grüne Oase mitten in einer monotonen Berglandschaft aus Felsen, Sand und Steinen. Ein enges Flusstal, 1200 Meter über dem Meeresspiegel. Die umliegenden Berge sind bis zu 2000 Meter hoch. 60 000 Menschen leben hier in der Hauptstadt der Provinz Badachschan, einer der ärmsten Provinzen Afghanistans. Von März bis Oktober ist Faizabad Malariagebiet. Im Sommer wird es bis zu 40 Grad warm. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 47 Jahren.
Die Straßen nach Faizabad waren 2004 noch mit primitivsten Mitteln in die Felsen gesprengt. Keine Leitplanken, mit jedem Frost und mit jedem Hochwasser nagten die Elemente an dieser Straße, bis wieder Dynamit da war, um sie erneut breiterzusprengen. Heute verbindet Kunduz und Faizabad eine ausgebaute Teerstraße mit Brücken und die Strecke ist in vier bis fünf Stunden gut zu bewältigen. 2004 aber war es noch eine Fahrt durch eine der faszinierendsten Landschaften, die ich je gesehen habe.«
2005: Personenschützer in Kabul
»Mein dritter Einsatz in Afghanistan begann neun Monate nach meinem zweiten im Oktober 2005. Es sollte mein letzter sein. Die Gefährdungslage hatte weiter zugenommen und in der Führung wollte man die VIPs nur noch absoluten Profis anvertrauen. Ich hatte weitere Zusatzkurse für die Ausbildung zum Personenschützer bei den Feldjägern erfolgreich bestanden.
Mein Vorgesetzter Stefan Deuschl fragte mich, ob ich mit nach Kabul käme. Für mich war sofort klar, dass ich dabei bin. Stefan war ein Ausnahmesoldat. Er war eine Autorität, respekteinflößend und ein Ansporn, sich anzustrengen. Stefan war sportlich, durchtrainiert bis in die letzte Faser. Das hat er auch von seinen Untergebenen verlangt. Er hat mich gefördert und war in Murnau so etwas wie mein Ziehvater, ich bin mit ihm von Anfang an supergut klargekommen.
Das Team, das er für Kabul zusammenstellte, war perfekt. Alle kamen aus Murnau und waren gut aufeinander eingespielt. Jeder wusste, dass er was leisten kann und jeder wusste, was der Einsatz bedeutet. Ein Team arbeitet und funktioniert durch Vertrauen, dass man sich auch in Gefahr auf jeden Einzelnen verlassen kann. Es ist das alte Kettenproblem: Ein Team ist nur so stark und belastbar wie sein schwächstes Glied. Und all das hat bei Stefan immer gepasst. Ich selbst kannte Afghanistan, kannte Kabul, ich musste mich nicht neu einstellen auf die Verhältnisse, die dort auf einen zukommen – und solche Erfahrungen sind immer eine enorme Hilfe.
Jeder im Personenschutzteam hat andere Aufgaben. Ich war bei meinem dritten Einsatz 2005 Fahrer des sogenannten Pointerfahrzeugs. Wenn wir eine wichtige Person, eine VIP, zu befördern hatten, bestand unser Konvoi immer aus drei gepanzerten Wolf ohne Nummernschilder, die absolut identisch aussahen. Während der Fahrt wird die Reihenfolge durchgewechselt, um jede Identifikation des VIP-Fahrzeugs unmöglich zu machen. Der Pointer fährt an der Spitze der Kolonne und ist so eine Art Pfadfinder, der die Sicherheit der Wegroute klärt, versteckte Sprengfallen auslösen und mögliche Gegner bekämpfen soll. Als Kommandoführer, der den Einsatz leitet, fuhr Stefan Deuschl in der Mitte des Konvois das VIP-Fahrzeug mit dem VIP. Dieses Fahrzeug ist unter allen Umständen zu schützen. Für den Angriffsfall fährt hinten ein dritter Wagen, das sogenannte
Evakuierungsfahrzeug. Im Evakuierungsfahrzeug sitzt der ›Stellvs‹, der stellvertretende Kommandoführer mit Fahrer, der die Führung übernimmt, falls der Kommandoführer ausfällt – ein Platz bleibt frei für den VIP. Falls er den Angriff auf das VIP-Fahrzeug überlebt hat, kann er evakuiert und gerettet werden. Einer im Team hatte zudem eine Sanitäterausbildung für die Versorgung möglicher Verletzter. Mit dem VIP und dem Stellvs-Fahrzeug hat man zudem stets zwei autarke Kommandoeinheiten, um das Team zu führen und den VIP bei einem Angriff in Sicherheit zu bringen.
Als Pointer hat man einen gefährlichen Job. Das Pointerfahrzeug ist das Fahrzeug, das zuerst Feindberührung hätte; wir waren daher auch am stärksten
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