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Wofuer wir kaempfen

Wofuer wir kaempfen

Titel: Wofuer wir kaempfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tino Kaeßner , Antje Kaeßner
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alles spülte viel Adrenalin ins Blut. Selbst bei durchtrainierten Sportlern stieg der Puls deutlich. Es war ein Rennen, Schieben und Pressen, ein Kampf um jeden Straßenmeter und um Sicherheit. Und egal, wie oft wir gefahren sind, egal, ob es nur für eine Stunde oder den ganzen Tag war: Jede Sekunde wurde intensiv erlebt und ist dreimal so lang wie im normalen Leben. So in etwa sah mein Tag in einem Pointerfahrzeug bei den Personenschützern in Kabul aus.

    Bei einem Einsatz hatte ich Befehl, einen General vom Flughafen abzuholen. Er kannte sich noch nicht gut aus in Kabul und war anscheinend zum ersten Mal da. Seine Maschine hatte Verspätung gehabt. Es war Viertel vor zehn und um zehn hatte der Herr General einen Termin. Also zackte der General mich an: ›Feldwebel, ich komme ungern zu spät. Schaffen wir das bis 10 Uhr?‹ ›Herr General, wenn Sie das befehlen, werden wir es selbstverständlich schaffen!‹ General: ›Sie dürfen auch gerne sportlich fahren!‹ Okay. Wir haben uns nur angeschaut. Darauf hatte ich mal gewartet. Normal fahren wir immer sehr fahrgastfreundlich, passen auf, dass die Gäste beim steten Abbremsen und Gasgeben oder den vielen Schlaglöchern nicht mit dem Kopf rechts und links oder vorn gegen die Panzerscheibe prallen. Jetzt wurde uns regelrecht befohlen, endlich mal zu zeigen, was wir nach monatelangem Fahrtraining wirklich draufhatten. In Kabul sind sogenannte Speedbreaker in die Fahrbahn eingegraben – dicke Kanalrohre quer über die Straße, die Raser bei zu hohem Tempo brutal bremsen und durch die Decke katapultieren, wenn sie missachtet werden. Vor diesen Speedbreakern muss man das Auto stark runterbremsen, hopp, hopp drüber – und dann gleich wieder Vollgas geben, um wieder Tempo zu gewinnen und kein Ziel abzugeben.
    Diesmal wollte ich nur Gas geben. Ich erinnere mich noch an meine Frage: ›Sind Sie angeschnallt, Herr General?‹ ›Jawoll!‹ Danach wurde es hinten ruhig. In fast jedem amerikanischen Actionfilm gibt es eine Verfolgungsjagd per Auto. Entgegenkommende Fahrzeuge, Hühner, kullernde Melonen, panische Passanten, Ausweichen in letzter Sekunde, Notbremsung mit Biss in Lenkrad und Kopfstütze – so in etwa muss man sich unsere Fahrt mit dem General vorstellen. In Kabul fährt jeder da, wo gerade Platz ist – auch auf er Gegenfahrbahn und zu fünft nebeneinander, wenn es passt. Kurz vor dem Camp kommt uns mit derselben hohen Geschwindigkeit ein Wagen
entgegen. Wie in den Krimis stellt sich die Frage: Wer gibt zuerst nach. Da ist ein Wagen mit vier Tonnen mit Panzerung wiederum ein gutes Argument. Der andere wich aus, aber so knapp, dass sich die Seitenspiegel berührten. Nur ein Klack war das. Da war dann aber so was von Ruhe hinten. Im Camp sind die anderen platt und bleich ausgestiegen. General: ›Müssen wir wieder so fahren?‹ ›Wenn Herr General das so befiehlt, müssen wir wieder so fahren, Herr General.‹ Der General hatte sich gut im Griff und sagte: ›Feldwebel, Respekt, Sie sind super gefahren …‹ und mit Blick auf die Uhr: ›… und wir sind pünktlich.‹ Zwei Minuten vor zehn hatten wir das Ziel erreicht.
    Wenn man nach einer solchen Geisterbahnfahrt wieder in das Lager zurückgekommen ist und sich der Schlagbaum hinter einem gesenkt hatte, dann war das ein Ausatmen, als ob ein Ventil aus dem Fahrradreifen gezogen wird.
    Meine Routine hat mir nach den Einsätzen immer wieder geholfen, mich auf den Ruhepuls runterzufahren. Klamotten runter, die taktischen Einsatzgeräte und Waffen reinigen, das Auto zum Waschen und in die Instandhaltung fahren, Luftfilter wechseln. Da schalte ich auf Autopilot, alles geht wie von selbst. Ich habe das heute noch nach meinen Fahrradrennen. Da kann ich mich zur ›Freude‹ von meiner Antje stundenlang im Fahrradkeller aufhalten, die Ketten reinigen, Sattel nachstellen, Schrauben nachziehen, ölen – wunderbar. Vielleicht ist das meine Art von Meditation. Auf jeden Fall funktioniert es, um mich wieder in den Normalzustand zu bringen. Ich trinke keinen Alkohol, ich rauche keine Zigaretten. Ich weiß nicht warum, aber ich bin so eingestellt, dass mich ein Einsatz innerlich nie berührt hat. Ich musste nie Kraft aufwenden, um nachhängende Gedankenwolken abzudrängen – ich hatte schlicht keine. Und es gab das kleine Glück, das für mich schon ausreichte: Auf dem Bett liegen. Den Brief von Antje lesen. Laptop
auf, eine DVD schauen, ein bisschen dösen dabei – das reichte mir völlig aus.
    Was mir dabei sehr

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