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Wofuer wir kaempfen

Wofuer wir kaempfen

Titel: Wofuer wir kaempfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tino Kaeßner , Antje Kaeßner
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geholfen hat und was ich immer wieder sagen muss: Ich habe meinen Job bei den Feldjägern einfach gerne gemacht, mehr noch – ich habe ihn geliebt. Auch heute noch bin ich trotz meiner Prothese voll überzeugt, dass alles sinnvoll war und sich die Erfüllung meiner Aufgaben gelohnt hat.
    Wir waren gut. Wir waren bestens trainiert. Und mit der Zeit wurden wir immer besser. Die Straßen Kabuls waren ein harter Gegner – aber wir waren härter. So war unser Bewusstsein und unser Anspruch: Dass wir unsere Leute mit großer Professionalität immer heil ans Ziel bringen würden. Das haben wir auch immer geschafft.
    Bis uns die Bombe des Attentäters am 14. November aus unserem bisherigen Leben gerissen hat.«

Die Amputation
    Tinos dritter Einsatz in Afghanistan endete mit der Katastrophe, über deren Wahrscheinlichkeit kein Soldat lange nachzudenken wagt, von der jeder hofft verschont zu bleiben.
    Die Nacht war kurz gewesen. Man schläft nicht entspannt, wenn man so aufgewühlt ist wie ich nach dem Besuch bei Tino auf der Intensivstation des Koblenzer Bundeswehrkrankenhauses. Man nickt weg, schreckt hoch und schaut immer wieder auf den Wecker. Ich war wie gerädert, als wir am nächsten Morgen um 8 Uhr ins Hotel fuhren, um mit den Kameraden, Tinos Familie, Vio und den Kindern zu frühstücken. Trotzdem war die tiefe Unruhe der vergangenen zwei Tage fort. Es hatte sich etwas Wichtiges geklärt. All die Spekulationen und Fragen hatten sich in Gewissheit aufgelöst, und jetzt würde es darum gehen, nach vorne zu schauen. Der Blick ging dabei noch nicht weit, ein, zwei Tage vielleicht in die Zukunft, weil man in so einer Situation aufhört, langfristig zu denken oder Pläne zu machen. Tino war noch nicht über dem Berg, aber er war bestens versorgt, das hatten wir gesehen. Jetzt hieß es abwarten. Dass die Ärzte die beiden in ein künstliches Koma versetzt hatten, war eine zusätzliche Beruhigung. So würden sie nichts von den Schmerzen und den Kämpfen spüren, die in ihrem Körper tobten. Der Begriff Koma kommt aus dem Griechischen und bedeutet »tiefer Schlaf«. Eine schwere Verletzung, das wusste ich aus meiner Sanitätsausbildung, versetzt das Opfer in den totalen seelischen und körperlichen Ausnahmezustand. Es ist, als würden alle Alarmglocken gleichzeitig schrillen, und das Gehirn kann auf die plötzlich einsetzende Reizüberflutung nicht mehr richtig reagieren. Adrenalin wird in großen Mengen ausgeschüttet, der Fluchtreflex ausgelöst, obwohl das Opfer bei den erlittenen Wunden sofort ruhen müsste. Zudem
wird das Schmerzempfinden abgeschaltet – dem Körper drohen tödliche Folgeschäden durch Schock und Herzstillstand. In medizinischen Handbüchern kann man immer wieder lesen, dass Soldaten in der Schlacht nach ihren abgerissenen Gliedmaßen suchten, ohne zu merken, dass sie am Verbluten waren. Auch Tino hat später erzählt, dass er nach der Explosion aufstehen und seinen Kameraden helfen wollte, obwohl sein Unterschenkel aufgerissen und der Knochen zersplittert war. Die körpereigenen Rettungssysteme brechen in diesem Dauerstress nach kurzer Zeit zusammen, der Körper zieht die Notbremse – es kommt zum Systemabsturz, und der Schwerstverletzte fällt in tiefe Bewusstlosigkeit. Es ist die letzte Schutzfunktion, um starke Schmerzen und Todesangst auszuschalten, bevor sie das Bewusstsein erreichen. Eine sehr gnädige Einrichtung der Natur – an der Schwelle des Todes. Auf der Intensivstation leiten die Ärzte diesen Zustand künstlich ein. Das künstliche Koma ist eine Langzeitnarkose und wird bei schwersten körperlichen Schädigungen angewendet – der Verletzte wird mit einem Mix aus Beruhigungs-, Schlaf- und stark morphiumhaltigen Narkosemitteln förmlich geflutet, bis er in einen tiefen Zustand der Bewusstlosigkeit fällt. Die Ärzte übernehmen die Kontrolle über den Körper, der ab jetzt künstlich beatmet und ernährt wird. Herz, Leber, Nieren und Darm arbeiten – wenn sie von den Verletzungen nicht betroffen sind – selbsttätig weiter, sämtliche Körperfunktionen sowie Herzfrequenz, Blutdruck und Körpertemperatur müssen kontinuierlich überwacht werden. Der Stoffwechsel wird verlangsamt, der Sauerstoffverbrauch gesenkt, die Adrenalinausschüttung zurückgefahren, um das Gehirn und den Körper beim Abbau der panischen Stressreize zu unterstützen. Angst, Schmerzempfinden, Stress, Bewegungsdrang und jede Form der Erinnerung sind damit abgeschaltet. Wenn es die Heilung erfordert, kann der

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