Wofuer wir kaempfen
ist. Zum Abschluss der halbstündigen Trauerfeier intonierte ein Trompeter das Lied »Ich hatte einen Kameraden«. Der Leichnam von Armin Franz verschwand in einem Leichenwagen. Er sollte in seinem Heimatort Redwitz beerdigt werden.
Das erste Opfer eines Auslandseinsatzes
Die Geschichten der Opfer gleichen sich: Sprengfallen, Munitionsunfälle, Hinterhalte, Schusswechsel mit Einheimischen – manchmal aus nichtigem Grund, so wie bei Alexander Arndt, der nach dem Zweiten Weltkrieg als erster aktiver Soldat am 14. Oktober 1993 beim ersten Auslandseinsatz der Bundeswehr in Kambodscha getötet wurde. Es ist eine dieser Geschichten,
die von der deutschen Öffentlichkeit schnell wieder vergessen wurden.
Alexander Arndt stammte aus dem Dorf Ottbergen bei Hildesheim und machte nach seiner mittleren Reife eine Lehre als Kunstschmied. Sechs Söhne hatte die Familie. Die vier älteren Brüder von Alexander waren als Zeitsoldaten in den Dienst der Bundeswehr getreten. Alexander war der zweitjüngste Sohn der Familie. Als er alt genug war, nahm er sich seine älteren Brüder zum Vorbild und verpflichtete sich als Zeitsoldat im Sanitätsdienst der Bundeswehr. Der fünfte und jüngste Bruder würde diese Kette nicht mehr fortsetzen und sich die älteren Brüder zum Vorbild nehmen, er würde keinen Dienst mehr in der Bundeswehr tun – denn sein Bruder Alexander wurde mit nicht einmal 26 Jahren erschossen. In Phnom Penh, Kambodscha – 9300 Kilometer von Ottbergen und Hildesheim in Niedersachsen entfernt.
Alexander hatte sich freiwillig gemeldet, um im Rahmen der UN-Friedensmission im Bundeswehrkrankenhaus der Hauptstadt Phnom Penh zu helfen. Anfang Mai 1993 war er nach Asien aufgebrochen, eine Reise um die ganze Welt. »Ein rein humanitärer Einsatz«, beruhigte er noch seine Mutter. Sie kamen, um zu helfen. Der Vietnamkrieg war mit dem Rückzug der Amerikaner beendet worden. Alexander Arndt versorgte nicht nur kranke UN-Einsatzkräfte, sondern vor allem die vielen Einheimischen, die nach Hilfe suchten und dem Krankenhaus bald den Namen »Haus der Engel« gaben. Die deutschen Sanitätssoldaten waren geachtet und beliebt. Nichts deutete auf einen plötzlichen Ausbruch von Gewalt hin.
Als Arndt am Abend des 14. Oktobers nach einem Abendessen in einem Restaurant zusammen mit zwei Kameraden zurück ins Quartier wollte, passierte ihnen ein banales, aber tödliches Missgeschick. Beim Durchfahren einer Pfütze bespritzte ihr Jeep drei Männer neben einem Motorrad. Die Kambodschaner
nahmen wütend die Verfolgung auf und schossen in den Jeep der Deutschen. Arndt wurde mehrfach getroffen und starb wenig später – sechs Wochen vor seinem Heimflug, nach sechs Monaten Dienst im fernen Kambodscha. Die Täter wurden später festgenommen. Arndts Mörder war ausgerechnet ein Leutnant der kambodschanischen Polizei. Ein Mann, der sie eigentlich vor Unrecht schützen sollte. Der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe von der CDU sagte in seiner Trauerrede, Alexander Arndt habe mit seinem selbstlosen Einsatz »gelebt, was die Maxime unseres Staates ist – Verantwortung wahrzunehmen, wo Schwächere auf unsere Hilfe angewiesen sind«.
Der sinnlose Tod des als »gutmütig wie ein Bär« beschriebenen Alexander Arndt löste 1993 in der Bundesrepublik heftige Debatten über den Einsatz von Bundeswehrsoldaten im Ausland aus. Mit einem Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht versuchte die SPD den anstehenden Einsatz der Bundeswehr in Somalia zu kippen – und scheiterte. Der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Naumann, bereitete in prophetischer Klarheit die deutsche Öffentlichkeit auf neue Opfer vor und sagte, es werde weitere tote Soldaten geben. Im gleichen Atemzug bekräftigt er die Notwendigkeit von internationalen Einsätzen der Bundeswehr als »die wohl unvermeidliche und richtige Konsequenz aus der Entwicklung unserer unruhigen Welt«. Eine Begründung, die man immer öfter hören würde. Sie gehört inzwischen zum Standardrepertoire deutscher Politiker, wenn es um Kritik an den Auslandseinsätzen der Bundeswehr geht. Auch in Afghanistan.
Wie viele Leben darf der Frieden am Hindukusch kosten? Am 22. Dezember 2001 erteilte der Deutsche Bundestag erstmals ein Mandat für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Es war auf sechs Monate und 1200 Soldaten begrenzt. Dieser Einsatz mit seinen Opfern, von denen die deutsche Öffentlichkeit
nur eingeschränkt Notiz nimmt, dauert jetzt schon zehn Jahre an und damit länger als
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