Woge der Begierde
Gesicht an ihrem Hals; ein paar Augenblicke verweilten sie so, und Charles spürte, wie das Entsetzen und das Hässliche von ihm wichen, während er die Wärme ihres Körpers genoss, ihren süßen Duft einatmete. Daphne würde nicht zulassen, dass die Teufel über ihn herfielen, und sie würde ihn stets ins Sonnenlicht zurückführen, weg von der Dunkelheit. Sie liebte ihn vielleicht nicht, und vielleicht stand nur Freundlichkeit hinter ihren Taten, aber sie war seine Erlösung, und er liebte sie mehr als das Leben selbst. Seine Lippen fanden ihre, und er küsste sie, genoss ihre Erwiderung, genoss die Freude, die sie ihm brachte.
Er hob seinen Kopf, bemühte sich um einen leichten Tonfall. »Danke. Nicht viele Frauen würden sich so tapfer mit einem Widerling in ihrer angeheirateten Familie abfinden.« Er fuhr mit einem liebkosenden Finger über ihren Mund. »Ich bin sicher, dass das hier nicht ganz so ist, wie du gedachtest, die ersten Tage deiner Ehe zu verbringen.«
Sie lächelte mit zitternden Lippen. »Ist das wichtig? Falls das Schicksal uns gewogen ist, haben wir noch viele gemeinsame Jahre vor uns, Jahre, auf die wir einmal voller Freude zurückblicken werden. Was sind da schon ein paar Tage voller … Unschönheiten auf ein ganzes Leben gerechnet?«
»Unschön, so kann man es auch nennen«, sagte er trocken und nahm sie am Arm, zog sie mit sich von diesem Ort des Schreckens weg, wieder zurück zum Haus.
Daphne warf einen letzten Blick auf das Gebäude. »Was willst du damit tun?«
»Es niederbrennen, und zwar mit allem, was darin ist, dass nur noch verkohlte Ruinen übrig bleiben«, erwiderte er mit grimmiger Miene.
»Trotz des grauenhaften kleinen Gebäudes im Garten haben wir nichts Wichtiges im Haus gefunden«, stellte Daphne ein paar Minuten später fest, als sie in der Kutsche über die Zufahrt zurück zur Straße holperten. Nachdenklich fügte sie hinzu: »Aber das beweist andererseits gar nichts.«
»Mir wäre es lieber, wenn wir Schmuck gefunden hätten«, entgegnete Charles missgestimmt.
»Weil es beweisen würde, dass Sophie ihm ihren gegeben hat, und er ihn nicht holen gekommen ist.«
Er nickte. »Wenigstens hätten wir etwas für unsere Mühen vorzuzeigen und unseren Verdacht bestätigt bekommen. Und wenn wir Schmuck entdeckt hätten, würde das bedeuten, dass er gestorben ist, weil er ihn sich nicht geholt hat. Doch so stolpern wir weiter im Dunkeln herum.« Er sah sie an, bemerkte die Erschöpfung in ihren Augen. »Ich hätte dich nicht mitnehmen sollen«, sagte er abrupt. »Ich hätte darauf bestehen sollen, dass du nach Cornwall zurückfährst.«
»Und damit jede Menge Gerede ausgelöst, dass wir uns schon so kurze Zeit nach der Hochzeit gezankt haben?«, fragte Daphne und schaute auf ihre behandschuhten Hände in ihrem Schoß.
Seine Augen wurden schmal. »Ist das der Grund, weshalb
du mitgekommen bist? Um zu verhindern, dass über uns geredet wird?«
»Ist es denn wichtig, weshalb ich mit dir hergefahren bin?«, wollte sie wissen und schaute ihn an. »Reicht es nicht völlig aus, dass ich an deiner Seite bin?«
Nein! Bei Jupiter, dachte er aufgebracht und starrte durch das Fenster blindlings in die einbrechende Dämmerung, ihre Gegenwart reicht nicht. Ihre Gründe dafür, bei ihm zu sein, waren ihm überaus wichtig. Es war ihm so wichtig, dass es an ihm nagte, ihn innerlich zerriss, und wieder fragte er sich, warum sie bei ihm war und nicht nach Cornwall zurückgekehrt war. Er wollte sie bei sich haben, weil es für sie keinen anderen Ort auf der Welt gab, an dem sie lieber wäre, und nicht, gestand er sich mit einem bitteren Geschmack im Mund ein, weil sie Klatsch vermeiden wollte oder weil es ihre verdammte Pflicht war. Er lächelte erbittert vor sich hin. Es war nicht schon genug, dass sie ihre Geschwister mehr als alles andere liebte, sondern es schien, als läge ihr ebenso viel daran, kein unnötiges Gerede zu verursachen und ihre Pflicht zu erfüllen. Welchen Platz wies ihm das in ihrer Liebe zu? Irgendwo ganz am Ende?
Seine Gedanken waren so schmerzlich, dass er erklärte: »Natürlich ist deine bloße Anwesenheit alles, was ich mir wünschen kann.«
Daphne runzelte die Stirn. Seit dem Abend in der Bibliothek in Stonegate, als er ihr vorgeschlagen hatte, dass sie ohne ihn nach Cornwall reiste, spürte sie immer wieder eine seltsame Unterströmung in ihrem Umgang. Wir tragen ein Gefecht aus, erkannte sie betrübt, aber ich weiß nicht, wie. Ich kenne noch nicht
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