Woge der Begierde
sah sie verwundert an, ehe er schließlich fragte: »Machst du dir wegen etwas Sorgen, Daffy?«
Sie setzte ein Lächeln auf und schaute ihren Bruder an. »Nein, nein. Natürlich nicht.«
Er wirkte nicht überzeugt. Daher verlegte er sich auf eine andere Methode und bemerkte: »Ich finde die Abmachungen sehr großzügig.«
»Ja, ja, auf jeden Fall.« Sie runzelte die Stirn. »Hattest du eine Ahnung, dass Mr. Weston so reich ist?«
Er schüttelte den Kopf und konzentrierte sich darauf, das Pferd, eine lebhafte Stute mit einem besonders weichen Gang, um einen schweren Bauernkarren herumzulenken, der von zwei langsam trottenden grauen Zugpferden gezogen wurde. Nachdem die Straße wieder frei vor ihnen lag, ließ er die Stute in einen leichten Trab fallen und wandte seine Aufmerksamkeit wieder seiner Schwester zu. »Ich denke, es ist für uns verflixt günstig, dass er so gut betucht ist. Stell dir nur vor, was wäre, wenn er ein Taugenichts wäre ohne einen Pfennig Geld in der Tasche. Wir können uns verdammt glücklich schätzen, dass ausgerechnet er in der Nähe war, um dich zu retten.«
Erschüttert von der Erinnerung, wie leicht sie sich Mr. Westons Verführungsversuchen ergeben hatte, biss Daphne die Zähne zusammen. »Er hat mich nicht gerettet«, entgegnete sie spitz. »Das warst du.« Sie betrachtete die vorüberziehende Landschaft, die gepflegten Eichen, die langgezogenen Senken und die grünen Täler mit dem guten, fruchtbaren Boden. »Wenn er nicht darauf bestanden hätte, bei mir in dieser grässlichen Höhle zu bleiben, wäre nichts von alldem hier geschehen. Es ist alles seine Schuld.«
»Aber ich dachte, du magst Mr. Weston«, rief Adrian betroffen.
»Ich mag ihn recht gern«, war Daphne aufrichtig genug einzugestehen, »aber du musst doch zugeben, dass diese ganze Geschichte unser Leben für immer verändert.«
»Ja, das stimmt schon«, räumte Adrian ein. »Aber ich denke, wenn wir uns einmal an den Gedanken gewöhnt haben, dass wir dann bestens miteinander auskommen werden.«
Daphne bedachte ihren Bruder mit einem empörten Blick. Wie leicht das alles für ihn war! Schließlich musste er auch keine Fremde heiraten.
Sie rief sich alle Vorteile ins Gedächtnis, die für ihren Bruder und ihre Schwester bei ihrer Heirat mit Mr. Weston herausspringen würden. Mr. Westons Beziehung zum Earl spielte bei diesen Vorteilen eine gewichtige Rolle, wie auch die Erkenntnis, dass ihr Verlobter im Besitz eines Vermögens war, neben dem sich Adrians wie ein Bettel ausnahm. Was für Adrian und April nur von Vorteil sein konnte, das ließ sich nicht leugnen, und sie konnte auch, vorausgesetzt, Mr. Weston mischte sich nicht ein, die beiden mit Geschenken überschütten, die bisher ihre Mittel überstiegen hatten. Einen Moment lang ließ sie sich ablenken von dem Gedanken
an die kostbaren Kleider und den Schmuck für April und an die Vollblüter für Adrian, die sie von dem Geld kaufen könnte. Aber die Vorfreude darauf verblasste rasch, als sie wieder an die Umstände dachte, die zu ihrem plötzlichen Reichtum geführt hatten.
Trotz der Befürwortung durch den Vikar wusste sie, dass ihre Heirat mit Mr. Weston in den kommenden Wochen das Hauptgesprächsthema in vielen Haushalten in der Gegend sein würde. Die Leute würden auf jeden Fall reden, manche von ihnen auch auf gemeine und bösartige Weise - da durfte sie sich nicht täuschen. Und sie würden reden, Klatsch und Gerüchte verbreiten - und zwar mehr, als wenn Mr. Westons Cousin kein Earl wäre und er selbst nur über ein ansehnliches Vermögen verfügte statt über ein überwältigendes. Sie seufzte. Solange nichts von dem Gerede zu April oder Adrian drang, konnte sie damit leben. Für sie konnte und würde sie alles ertragen. Sogar eine Ehe mit Mr. Weston. Und dass seine Küsse Empfindungen in ihr weckten, die sie sich nie hätte träumen lassen, und dass ein Blick aus seinen kühlen grünen Augen ihr das Gefühl gab, als hätten sich ihre Glieder in warmen Honig verwandelt, daran wollte sie lieber nicht denken.
Sie musste wieder an die aufregenden, aber leider bedauerlichen Momente in Mr. Vintons Kanzlei denken, als Mr. Weston sie in die Arme geschlossen hatte, daran, wie er geschmeckt hatte, seine Berührung auf ihrer bloßen Haut und das seltsam pochende Ziehen in ihrem Unterleib. Sie schaute stur geradeaus. Sie würde nicht darüber grübeln, was geschehen war, sondern würde einfach dafür sorgen, dass sie nicht wieder in diese Lage
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