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Woge der Begierde

Woge der Begierde

Titel: Woge der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirlee Busbee
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keine Liebe, und zwischen ihm und seinem Neffen auch nicht. Der Riss war so tief, dass Sir Wesley nach Edwards Tod schwor, er werde nichts unversucht lassen, um zu verhindern, dass John ihn beerben würde.«
    Trotz des lustig flackernden Feuers spürte Daphne einen kalten Luftzug und zog sich ihren Schal aus chinesischer Seide fester um die Schultern. Sie blickte sich im Zimmer um und sah, dass alle gebannt der Geschichte lauschten, die Mrs. Darby erzählte. Während die Sekunden verstrichen, wurde die Kälte durchdringender, und sie sah, dass auch April in ihrem dünnen gepunkteten Musselinkleidchen zitterte und Miss Kettle ihren Wollschal über ihre Arme zog. Selbst Charles bückte sich mit einem leichten Stirnrunzeln
und stocherte mit dem Feuerhaken in den goldenen und roten Flammen. Eine ungute Vorahnung machte sich in ihr breit - die Kälte bildete nicht nur sie sich ein, nein, die anderen spürten sie auch. Daphne erinnerte sich wieder an die eisige Luft in ihrem Schlafzimmer, als sie die Erscheinung gesehen hatte, und suchte das Zimmer nach der nebelhaften Gestalt ab, aber es war nichts zu entdecken, außer, dass es ihr so schien, als ob die Kerzen nicht so hell brannten und sich Dämmerlicht im Zimmer ausbreitete.
    Das Unwetter draußen verstärkte die unheimliche Stimmung, das Haus knirschte und stöhnte unter dem Ansturm des Windes, immer wieder in das grellweiße Licht der Blitze getaucht, auf die wütender Donner folgte.
    Nach einem besonders mächtigen Donnerschlag runzelte auch Mrs. Darby die Stirn und rieb sich die Arme, als sei ihr kalt, ehe sie sagte: »John, ein gut aussehender junger Mann, wie man ihn sich nur wünschen kann, so wie sein Vater vor ihm, hatte eine junge Erbin geheiratet, eine reizende junge Dame namens Anne-Marie, nur Monate vor Edwards Tod. Und obwohl ihn der Tod seines Vaters betrübte, hatte John im Frühjahr 1556 doch genug Grund zur Freude - seine geliebte Anne-Marie war schwanger, und sie beide freuten sich auf die Geburt ihres ersten Kindes.« Mrs. Darby senkte die Stimme. »Es war eine schlimme Zeit für Protestanten«, sagte sie ernst. »Mit Königin Marys Segen hatte der Papst die katholische Herrschaft über England wiederhergestellt, und erst im Jahr zuvor hatte man unseren tapfereren Bischof Latimer auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil er sich weigerte, dem protestantischen Glauben abzuschwören, zusammen mit anderen Märtyrern, die sich nicht dem päpstlichen Rom unterwerfen wollten.« Ihr Blick glitt von einem gebannten Gesicht zum nächsten. »Es war eine
schreckliche Zeit - kein Protestant wagte es, seinen Glauben offen zu praktizieren aus Angst vor Sanktionen. Und leider gab es auch Menschen, die die Lage für ihre eigenen entsetzlichen Zwecke ausnutzten. Zu ihnen gehörte auch Sir Wesley. Er benutzte seine Macht als Königin Marys Gefolgsmann, sich an Land und Vermögen anderer zu bereichern und sich an seinen Nachbarn zu rächen. Man sagt, mehr als eine arme Seele sei auf Sir Wesleys Anordnung hin schreiend in den Kerkern unter ebendiesem Haus umgekommen und dass selbst seine junge Braut, die er in der verzweifelten Hoffnung geheiratet hatte, doch noch einen Erben zu zeugen, vor seiner Grausamkeit nicht sicher war.«
    Eine Welle der Kälte, so überwältigend, dass sie mit den Zähnen klapperte, glitt über Daphne, gerade in dem Moment, als April sagte: »Warum ist es eigentlich so schrecklich kalt hier?«
    »Was ist denn mit dem Feuer los?«, verlangte Miss Kettle zu wissen. »Miss April hat recht, es ist eiskalt hier im Zimmer.«
    »Es ist kühl«, stellte Adrian fest. »Das muss am Wetter draußen liegen. Der Wind zwängt sich durch die Fensterritzen.«
    »Mit dem Feuer ist alles in bester Ordnung«, erklärte Charles. »Sehen Sie selbst. Es brennt hell, aber ich werde noch einmal Holz nachlegen, wenn Sie wollen.«
    »Ja, bitte«, antwortete Daphne, obwohl sie insgeheim vermutete, dass auch noch so viel Holz keinen Unterschied machen würde. Sie sah zu, wie Charles mehrere Holzscheite übereinanderstapelte, sodass goldene Funken durch den Kamin aufstiegen. Dennoch wurde es nicht wärmer, und das Gefühl, als ob etwas jenseits ihres Sichtfeldes lauerte, wurde überwältigend. Was auch immer dieses Mal für
die Kälte verantwortlich war, es fühlte sich völlig anders an als in der Nacht in ihrem Schlafzimmer, und sie schaute sich um, hatte Angst, was sie am Ende entdecken würde. Letztes Mal hatte sie auch Angst gehabt, das stimmte, aber da war nicht dieses

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