Woge der Begierde
ihm kam. »Sie können die Tür wegen des Schrankes nicht sehen«, erläuterte der Butler, »aber mit Hilfe von ein paar kräftigen Lakaien können wir ihn verrücken lassen.« Er sah ein bisschen verlegen aus. »Die Räume sind jahrzehntelang nicht benutzt worden, Sir, und müssten instand gebracht und neu möbliert werden, aber ich kann Ihnen versichern, dass wir bis zur Hochzeit alles fertig haben werden. Würden Sie gerne den Salon und das andere Schlafzimmer sehen?«
Nach einem nachdenklichen Blick auf den riesigen Eichenschrank sagte Charles: »Natürlich.«
Sie traten aus Daphnes Zimmer; Charles folgte Goodson
ein kurzes Stück über den Flur. Vor einer großen Tür blieben sie stehen, Goodson öffnete sie und nahm eine der Kerzen aus einem der Wandhalter, die zu beiden Seiten der Tür hingen, und zündete sie an, dann winkte er Charles hinein.
Der Raum roch modrig und unbenutzt, aber nicht unangenehm, und mit ein paar Tagen mit geöffneten Fenstern und einer gründlichen Reinigung, Auslüften von Vorhängen und Teppich ließ sich dieses Problem sicher lösen, dachte Charles, als er hinter Goodson in die Schatten trat. Goodsons Kerze enthüllte ein schönes Zimmer mit einer geschnitzten Decke und mehreren in Laken gehüllten Möbeln. Goodson schritt rasch zu den schweren honiggelben Samtvorhängen vor den Fenstern und zog sie zurück, wohl in der Hoffnung, mehr Licht ins Zimmer zu lassen. Aber selbst mit zurückgezogenen Vorhängen drang durch die schmutzigen Scheiben nicht viel Tageslicht. Charles erkannte einen kostbaren alten Teppich in Bernstein- und Grüntönen auf dem Boden und entdeckte, dass der Boden aus einem herrlichen Walnussholzparkett bestand. Eine Wand zierte ein beeindruckender Kamin aus grünem Marmor, darüber ein goldgerahmter Spiegel. In der Nähe erspähte er Doppeltüren, durch die man vermutlich in das zweite Schlafzimmer gelangte.
Das sagte er auch zu Goodson, und der Butler nickte. »Ja, das stimmt, Sir. Miss Daphnes Zimmer wurde vom Hausherrn benutzt, und diese Räume waren für seine Gattin.«
Nachdem Goodson die Türen geöffnet hatte, folgte Charles ihm in einen weiteren großzügigen Raum, dessen Möbel wie nebenan zum Schutz vor Staub mit Laken verhüllt waren, die in dem Dämmerlicht gespenstisch leuchteten. Charles verschwendete nicht viel Zeit mit Schlafzimmer und Salon. Sie wären genau das Richtige für ihn.
Er ging zurück in den Salon, schaute sich um und fand schließlich die Tür zu Daphnes Schlafzimmer, verdeckt von einem schweren Vorhang, der aussah, als befände sich dahinter ein weiteres Fenster. Er schob den Stoff zurück, griff nach dem Kristallknauf und öffnete nach etwas Rütteln die Tür. Dahinter befand sich die Rückseite des Schrankes.
Er blickte sich noch einmal im Salon um und nickte Goodson zu. »Ja, ich denke, das hier wird in Ordnung gehen, wenn es gesäubert und gelüftet ist.«
Goodson strahlte ihn an. »Ich werde das gleich Mrs. Hutton mitteilen, dann wird sie die Mägde unverzüglich an die Arbeit schicken. Möchten Sie die Möbel sehen? Sie sind altmodisch, aber sehr elegant. Ich bin sicher, dass wir alles so ändern können, dass es Ihnen zusagt.«
»Ah, nein«, wehrte Charles rasch ab. »Ich bin sicher, dass ich Ihnen und Mrs. Hutton vertrauen kann, dass alles so wird, wie es sein soll.«
Charles bedankte sich bei Goodson und ging langsam die breite, geschwungene Treppe hinab. Einen Augenblick später war er wieder bei Daphne im Salon.
Bei seinem Eintreten stand sie auf, schaute ihn fragend an. Charles schüttelte den Kopf. »Ich habe nachgesehen«, sagte er, »aber ich konnte kein Anzeichen von einer Tür entdecken.«
Mit enttäuschter Miene erwiderte sie: »Bist du sicher, dass du an der richtigen Stelle nachgesehen hast?«
Er nickte, und nachdem er sich Brandy eingegossen hatte, erklärte er: »Glaub mir, ich habe die chinesische Tapete angestarrt, bis ich das Gefühl hatte zu schielen.«
Daphne versteifte sich. »Zweifelst du etwa an meinem Wort?«
Charles schüttelte den Kopf. »Nein, ich neige nur zu der
Ansicht, dass du in deinem Schreck vielleicht gedacht hast, die Umrisse einer Tür gesehen zu haben. Du hast dir die Wand im Schein einer Kerze angesehen, und es ist nicht auszuschließen, dass das flackernde Licht dich getäuscht hat.
»Wenn du das denkst«, erklärte sie scharf, »warum glaubst du dann, dass ich einen weiblichen Geist gesehen habe? Warum denkst du nicht, dass ich sie mir auch eingebildet habe? Du hast sie
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