Wogen der Leidenschaft - Roman
die meisten Piloten da unten immer Reifenschläuche von Lastwagen in die Schwimmer stecken. Gibt es ein Leck oder einen anderen Schaden, kann man den Schlauch aufpumpen, so dass der Auftrieb zum Abheben und Landen reicht.«
Ihr Neffe schien mehr skeptisch als beeindruckt.
» Der Strömungs- und Luftwiderstand wird zu groß sein.«
» Es wird klappen.« Als Emma ins Wasser sprang, ließ die Kälte sie fast erstarren.
» Ich habe uns diesen Schlamassel eingebrockt, und ich werde uns da wieder herausmanövrieren. In der Luft.«
Michael hockte sich auf den Schwimmer über ihr und schraubte eine der Öffnungen auf.
» Wenn jemand es kann, dann du. Und es tut mir leid.«
Sie stopfte den riesigen Schlauch durch die Öffnung.
» Was?«
Er nahm ihr die Arbeit ab und sah sie nicht an, als er sagte:
» Dass ich dich heute Nachmittag ignoriert habe. Dass ich mich von der Vorstellung mitreißen ließ, Drogenhändler jagen zu müssen. Dass ich wütend auf dich war.« Schließlich blickte er auf.
» Dass ich vergessen habe, wie lieb du mich hast. Und dass du nur um mein Wohl besorgt warst.«
» Ach was, ich weiß doch, wie es ist, wenn man jung ist und voller Träume, Neugierde und Abenteuerlust steckt.«
» Aber du hast doch keinen deiner Träume verwirklichen können, oder? Du musstest dich um mich und Kelly kümmern, eine Riesenhypothek abzahlen und Bootsladungen von Sportsfreunden betreuen.«
Sie drückte sein Bein.
» Ich hatte etwas viel Besseres. Ich hatte dich. Wie es im Lied heißt, danke ich Gott für nicht erhörte Gebete. Ich würde dich nicht um mein Leben gegen einen meiner kindischen Träume hergeben. Ich liebe dich, und ich liebe das Leben, das wir führen.«
» Es ist noch nicht vorbei, Nem. Es stehen nur Veränderungen bevor. Für uns beide.«
» Richtig. Und damit du nicht erleben musst, was unter dem zivilisierten Lack deines Vaters steckt, sehen wir zu, dass wir hier weg und nach Hause kommen, ehe er anruft.«
Rasch stopfte er den Rest des Schlauches in den Schwimmer und zog den Ventilschaft durch die Öffnung.
Beim Aufpumpen wechselten sie sich ab, ein lang dauerndes und ermüdendes Unterfangen, da die Fahrradpumpe den Großteil des Flugzeuggewichtes heben musste. Während Mike pumpte, benutzte Emma das Klebeband, um den vom Axthieb im Schwimmer hinterlassenen gezackten Rand abzudecken. Nach einer halben Stunde war es geschafft, der Schwimmer lag so hoch im Wasser, dass es für einen Start hoffentlich reichen würde.
Aufatmend sah Emma auf ihre Uhr und dann zum Himmel.
» Gottlob schaffen wir es vor Einbruch der Dunkelheit nach Hause. Mit diesem verkrüppelten Vogel in der Dunkelheit zur Landung aufzusetzen ist das Allerletzte, was ich möchte. Nur keine Wendung im Blindflug…«
Emma, die ihre Hände an den Jeans abwischte, sah zu ihrem Neffen, der kritisch den Wald überblickte und dabei besorgter dreinsah als eine Maus in einer Katzen-Show.
» Mikey, es wird klappen. Die Treibstoffleitung wird halten, und der Schwimmer auch. Dreh uns um, und steig ein.«
Er tat wie ihm geheißen, schob die Maschine in tieferes Wasser, stieg ein und setzte die Kopfhörer auf. Emma ließ den Propeller an. Die Cessna erwachte stotternd zum Leben und glitt über das glasklare Wasser des kleinen Sees.
Emma ließ sich Zeit, glitt weiter, horchte auf das Motorengeräusch und beobachtete die Anzeigen auf dem Armaturenbrett. Sie gab Gas und spürte, wie die Maschine nach rechts wegzog und der Schwimmer auf dieser Seite durch das Wasser pflügte. Verdammt, sie wünschte, sie hätte eine größere Wasserfläche zur Verfügung gehabt– sie brauchte mehr Platz, um das Gewicht der Maschine auch auf den linken Schwimmer und somit gleichmäßig anzuheben und sie nicht mit Vollgas in die Höhe zu zwingen.
Leider hatte sie diese Möglichkeit nicht.
Sie drehte sich mit der leichten Brise und gab Gas. Die Maschine reagierte sofort. Sie wurden in ihre Sitze gedrückt, als die Schwimmer sich an die Wasseroberfläche kämpften.
Es war kein gemächliches oder gar anmutiges Steigen. Emma hatte mit der Steuerung und allen anderen Bedienungselementen zu kämpfen, wobei ihre Stoßgebete vor allem der Leitung galten, die ihnen hoffentlich ausreichend Treibstoff zuführen würde. Wieder sprühte Wasser gegen Propeller und Rumpf und Mikeys Fenster. Die Cessna ruckelte und zitterte und hatte es plötzlich geschafft, die Schwimmer auf die Wasserfläche zu heben.
Mikey stieß einen Freudenschrei aus, als sie abhoben, und im
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