Wogen der Leidenschaft - Roman
der sich als Steg eignete.
Der einzige, den sie fand, war hoch oben auf einem Felsvorsprung festgeklemmt. Das bedeutete, dass sie ihre Hände von den Fesseln befreien musste. Emma fand eine scharfe Felskante und rieb das Seil daran, während sie den Wald hinter sich ununterbrochen im Auge behielt, da das Tosen des Wasserfalls Waynes Schritte übertönte und sie seine Annäherung nicht hören konnte.
Als die Schnur endlich nachgab und ihre Hände, wenn auch blutig und stark mitgenommen, frei waren, kletterte Emma ohne Zögern über den großen Felsblock zu dem umgestürzten Baum hinauf.
Tief unter ihr schäumte das eisige Wasser, und der Baumstamm sah dünn und nicht sehr tragfähig aus. Vorsichtig betrat Emma ihre Notbrücke.
Der Schuss ließ Ben jäh innehalten und zurücklaufen. Solche Schüsse stammten nicht von Jägern. Sie waren zu scharf, um aus einer Jagdflinte zu kommen, und für ein Schnellfeuergewehr waren sie zu gedämpft. Blieb also nur eine Handfeuerwaffe.
Mit einer Handfeuerwaffe ging man nicht auf Jagd, es sei denn, das Ziel war ein Mensch.
Ben blieb rutschend stehen, als er in der Ferne die Beute erspähte. Sein Herzschlag setzte aus. Auf einem Baumstamm balancierend, der die Klamm überspannte, versuchte Emma den tosenden Gebirgsbach zu überqueren.
Er spürte, wie ihm Angstschweiß auf die Stirn trat. Sie konnte es unmöglich schaffen. Der Baumstamm war zu unsicher, lag zu hoch und war zu verrottet. Doch er vermochte seinen Blick nicht von ihr abzuwenden, um zu sehen, wovor sie flüchtete. Auch konnte er ihr nicht zurufen, sie solle umkehren, da sie ihn nicht hören konnte.
Dann peitschte wieder ein Schuss durch die Luft, diesmal so scharf, dass er aus einem Schnellfeuergewehr stammen musste. Er sah, dass die Kugel in den Baumstamm genau unter Emmas Füßen einschlug.
Er hörte Emmas erstaunten Aufschrei und musste hilflos ansehen, wie sie stürzte.
Er lief den Wildbach entlang, bewegte sich mit der Strömung und wartete, dass Emma wieder auftauchte. Nachdem er Flinte und Ausrüstung abgelegt hatte, kletterte er rasch über die Steine hinunter. Er sah Emma auf sich zutreiben, sah, wie sie darum kämpfte, sich über der Gischt zu halten, während sie gegen Steine und Geschiebe geworfen wurde. Auf einem abgeflachten Stein legte er sich auf den Bauch, streckte beide Arme aus und stützte sich ab, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Er erwischte ihrem Hemdsärmel und zog fest daran, dann bekam er ihren Arm zu fassen. Fast hätte sie ihn ins Wasser gerissen, so stark war die Strömung. Er befürchtete schon, ihr die Schulter auszukugeln, ließ sie aber nicht los, auch nicht, als sie gegen den Stein prallte, auf dem er lag.
Er hörte ihren pfeifenden Atem, als sie vor Schmerzen aufschrie. Er griff nun mit der anderen Hand zu und fasste nach ihrem Gürtel. Dann veränderte er seine Position, um seine Kraft optimal einzusetzen, und zog sie mit einer einzigen raschen Bewegung aus dem eisigen Wasser.
Zappelnd kam sie hoch und traf ihn mit ihrer freien Hand seitlich am Kopf. Der Angriff war so unerwartet, dass Ben von seinem Stein polterte, nicht ohne Emma in seine Arme zu ziehen, um ihr weitere Verletzungen zu ersparen. Sie landeten wieder auf einem großen Felsblock, Emma auf ihm. Sie holte aus, um ihm den nächsten Hieb zu versetzen, hielt aber mitten in der Bewegung inne und starrte ihn mit aufgerissenen Augen an.
» Ben!«, japste sie und fasste nach seiner Jacke.
» Was machst du denn hier?« Ohne ihm Zeit für eine Antwort zu lassen, hievte sie sich an seiner Jacke hoch.
» Wir müssen schnell fort. Wayne ist hinter mir her… er will mich töten!«
Sie wollte das Steilufer hinaufklettern, blieb jedoch stehen, als sie merkte, dass er ihr nicht folgte.
» Komm– er führt ein kleines Waffenarsenal mit sich!«
Mit kaum verhohlener Wut hob Ben Rucksack und Flinte auf, ergriff ihre Hand und ging mit ihr los, den Bachlauf entlang aufwärts. Emma musste laufen, um mithalten zu können.
» Ach, da fällt mir ein… der Baumstamm. Wir müssen ihn ins Wasser werfen, damit er uns nicht folgen kann«, keuchte sie.
Der Schweiß auf seiner Stirn kühlte ab und erinnerte Ben daran, dass die Temperatur nur knapp über null lag. Emma musste halb erfroren sein. Unterhalb des Baumstammes angelangt, setzte Ben sie in eine geschützte Felsnische. Endlich schien sie von ihrem Adrenalin-Hoch herunterzukommen. Ihr Gesicht war eine Maske des Schmerzes und ihr Zittern so arg, dass ihr Zähneklappern
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