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Wogen der Liebe

Wogen der Liebe

Titel: Wogen der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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blinkenden Schmuck. Aber sie zeigte keine Gefühle, glich einem Eiszapfen, und selbst ihr Lächeln schien wie gefroren. Thoralf hatte gehofft, sie würde sich ihm öffnen, wenn sie erst verheiratet wären und das gleiche Lager teilten. Doch bei Viviane hatte er erfahren, dass es zwischen Mann und Frau noch etwas anderes gab. Es war Herzlichkeit, Zuneigung, Hingabe, Leidenschaft, aber auch eine offene Seele, ein gutes Herz, Liebe.
    Das Wort Liebe gewann für ihn eine ganz neue Bedeutung. Liebe, das war Viviane. Es war kein schlichtes Begehren, es war keine animalische Leidenschaft. Es war die Liebe, die schmerzte, die ihn zu ihr hinzog, die seine Gedanken, Wünsche und Träume beherrschte.
    Und jetzt saß sie neben ihm, blickte ihn immer wieder an. Etwas sprach aus ihren Augen, den wunderschönen grünen Augen, die ihn von Anfang an in ihren Bann gezogen hatten. Hätte er doch auf diese Augen, ihre Blicke, ihre Lippen gehört! Dann wäre das alles hier nicht passiert.
    »Und jetzt will ich endlich wissen, was genau geschehen ist«, verlangte Thoralf ungeduldig.
    Eine kleine Weile erntete er Schweigen aus der Runde. Yngvar hielt den Kopf gesenkt und schlürfte den Brei aus seiner Schüssel. Astrid räusperte sich. Sie war die Einzige, die kaum etwas gegessen hatte. Ein Stück Brot lag auf ihrem Schoß, während sie die Hände rang. »Also – es ist eine lange Geschichte, voller schrecklicher Missverständnisse und Menschen, die sich schuldig gemacht haben.« Sie hob plötzlich den Kopf. »Ja, auch ich habe mich schuldig gemacht, weil ich Vivianes Worten keinen Glauben geschenkt habe.«
    »Ich verstehe nicht«, erwiderte Thoralf irritiert.
    Astrid holte tief Luft, als wollte sie sich Mut machen. »Ich werde alles von Anfang an erzählen und nichts auslassen und keinen verschonen.«
    Es wurde eine lange Nacht, in der das Feuer am Brennen gehalten werden musste. Astrid erzählte schonungslos und offen. In Thoralfs Ohren klangen diese Schilderungen ungeheuerlich. Er hätte es nicht geglaubt, wenn es nicht seine eigene Mutter gewesen wäre, die diese furchtbaren Ereignisse schilderte. Selbst der rote Feuerschein täuschte nicht darüber hinweg, dass er blass geworden war. Er fasste unwillkürlich nach Vivianes Hand und hielt sie fest, als wenn er sie so beschützen könnte. Viviane ließ ihre Hand in seiner verweilen, genoss die Berührung wie eine Zärtlichkeit.
    »So sehr liebt sie dich, dass sie für dein Glück auf ihre große Liebe verzichtet hätte«, meldete sich nun Yngvar zu Wort. Im Kontrast zu seiner gekrümmten Haltung war seine Stimme laut und klar, sogar scharf und anklagend.
    Thoralf fasste sie fester. »Und ich ahnte von alldem nichts«, flüsterte er mit rauher Stimme.
    »Vater war der Erste, den sie töteten.«
    Thoralf sprang auf. Empörung stand auf seinem Gesicht geschrieben. »Meine Rache wird furchtbar sein«, zürnte er. »Jeden einzelnen Toten und Gefangenen werde ich rächen.« Sowohl Viviane als auch Astrid zogen ihn wieder auf den Boden.
    Nur zögernd setzte er sich. Er wandte sich an Viviane. »Und du?«
    Vivianes Stimme versagte. Die schreckliche Zeit in dem Hügelgrab hätte sie am liebsten aus ihrer Erinnerung gestrichen.
    »Im Grab eines Riesen hat sie gehaust«, ließ sich plötzlich Raudaborsti aus dem Hintergrund vernehmen. »Sie hat den Geistern der Toten, den Trollen und Wölfen ebenso getrotzt wie diesem verräterischen Ragnvald.«
    Eine steile Falte hatte sich zwischen Thoralfs Augenbrauen gegraben, und seine blauen Augen sprühten eisige Blitze, so ungeheuerlich waren die Geschehnisse.
    »Blinde Rache nützt keinem etwas«, sagte Astrid. »Selbst mit all deinen Männern von den Booten kannst du Ragnvald nicht überwältigen. Du musst klug überlegen, denn jetzt bist du der Herr auf Skollhaugen.«
    Thoralf lachte trocken auf. »Der Herr wovon? Von einem Haufen Asche?«
    Viviane blickte ihn eindringlich an. »Es ist deine Heimat, Thoralf. Die darfst du nicht aufgeben. Du musst darum kämpfen. Nicht Rache ist der Weg, sondern der Aufbau von Skollhaugen und der Widerstand gegen die Verräter.«
    Sie hielt selbstbewusst den Kopf erhoben und schob das Kinn vor. In einer Mischung von Erstaunen und Bewunderung schaute er sie an. Viviane hatte sich verändert. Ja, sie war schmaler geworden, die Strapazen hatten sie gezeichnet. Aber sie strahlte Stärke, Willenskraft und Würde aus. Aus der kleinen, flinken und fluchtbereiten Füchsin war eine kluge, kämpferische und schöne Frau geworden.

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