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Wogen der Liebe

Wogen der Liebe

Titel: Wogen der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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Er war klein, seltsam missgestaltet, mit langen dünnen Beinen, einem zu kurzen Oberkörper und verkrümmtem Rücken. Er hatte schwarzes Haar und trug einen sorgsam geschnittenen Bart. Seine helle Haut ließ ihn kränklich erscheinen, doch sein stechender Blick bewies das Gegenteil. Erschrocken blieb Viviane stehen.
    »Ich … ich hole nur die Felle«, stammelte sie.
    »Dann spute dich! Ich will nicht, dass du mir nachschleichst.«
    »Das tue ich nicht«, versicherte sie und zog schnell die beiden Ziegenfelle vom Gestell. Sie rollte sie zusammen, klemmte sie unter den Arm und lief davon.
    Truud legte die Felle vor den Eingang. Zwei andere Mägde knieten bereits am Boden, dann begannen sie, die Innenseiten mit Schabern vorsichtig zu säubern.
    »Du nicht«, bestimmte Truud und verscheuchte Viviane mit einer Handbewegung. »Wenn du Löcher ins Leder schneidest, werde ich bestraft. Schaff die Abfälle in die Grube.«
    Neben der Grube hockte Raudaborsti und zog einen Knochen heraus.
    »Hast du nichts zu essen bekommen?«, wollte Viviane wissen.
    Raudaborsti grinste verschmitzt. »Essen hole ich mir nicht aus dem Abfall. Aus diesen Knochen kann man wunderbare Flöten schnitzen. Willst du auch einen haben?«
    Viviane schüttelte den Kopf. »Ich kann keine Flöten schnitzen. Ich kann auch nicht Ball spielen. Ich kann überhaupt nichts, was man hier so treibt.«
    »Auch nicht Bogenschießen?«
    »Nein. Wozu braucht man das als Frau?«
    Raudaborsti zuckte mit den Schultern. »Dalla und Halveig gehen manchmal auf die Jagd. Sie schießen Vögel mit Pfeil und Bogen.«
    »Es sind adlige Frauen. Die dürfen so etwas. Ich habe etwas anderes gelernt.«
    Neugierig rutschte Raudaborsti näher. »Was denn?«
    Viviane warf einen sehnsüchtigen Blick zur Schmiede, einer offenen Hütte mit einer steinernen Feuerstelle. »Mein Vater war Schmied.«
    »Ja, und?«
    »Ich weiß, wie man ein Schwert schmiedet.«
    Raudaborsti lachte und fiel dabei auf ihr Hinterteil. Mit ihren schmutzigen Füßen strampelte sie in der Luft. »Nun sag bloß, du kannst mit dem Schwert kämpfen.«
    Viviane nickte stumm. Raudaborsti wurde sofort ernst. »Das darfst du niemandem verraten«, flüsterte sie. »Sonst könnte es dir schlecht ergehen.«
    »Wieso?«
    »Weil du dich vielleicht gegen deinen Herrn erheben könntest. Eine Sklavin ist eine Sklavin und darf nur niedere Arbeiten verrichten.«
    »Mache ich doch. Truud lässt mich nur die schmutzigsten Arbeiten machen. Wie du siehst, habe ich die Felle …« Viviane stockte und starrte über den Hof.
    »Was ist denn?« Raudaborsti folgte Vivianes Blick.
    »Dieser Mann da«, flüsterte Viviane. »Der hat mir vorhin einen Schrecken eingejagt. Ich finde ihn unheimlich.«
    »Er sieht aus wie ein Troll, nicht wahr?« Raudaborsti grinste über das ganze schmutzige Gesicht.
    »Ist er einer?«
    »Nein, er heißt Asgeir und ist Gunnardvigas Bruder.«
    »Ihr Bruder?« Vivianes Mund blieb offen stehen. »Gunnardviga ist so schön, und er …«
    »So hässlich, wie er aussieht, so hässlich ist auch sein Verhalten. Keiner mag ihn. Aber da er Gunnardvigas Bruder ist, wird er hier mit aller Hochachtung behandelt. Wieso hat er dich erschreckt?«
    »Weil er mich so seltsam angeschaut hat. Ich habe ihn wohl überrascht, als er das Lagerhaus öffnen wollte.«
    »Welches Lagerhaus?«
    »Wo die Waffen und Schilde und die Rüstungen drinliegen.«
    Raudaborsti starrte Viviane an. »Das hat er getan?«
    »Ich glaube, er wollte es tun, und ich habe ihn dabei gestört.«
    »Er hat dort nichts zu suchen. Damit verletzt er das Gastrecht.«
    »Was wollte er sonst dort?«
    »Vielleicht wollte er wissen, wie viele Waffen hier lagern.«
    »Sollten wir nicht Björgolf Einbein davon unterrichten?«
    Raudaborsti schüttelte heftig den Kopf. »Besser nicht. Du hast es gesehen. Wenn er es abstreitet, steht dein Wort gegen seins. Was denkst du, wem man eher glauben wird?«
    Viviane nagte nachdenklich an der Unterlippe. »Warum schnüffelt er dort herum? Sind die Familien nicht miteinander befreundet?«
    »Thoralf und Gunnardviga kennen sich schon seit ihrer Kinderzeit, und seitdem sind sie einander versprochen. Außerdem verletzt es den Ehrenkodex eines Wikingers, eine befreundete Sippe zu überfallen. Vielleicht drückte ihn nur ein natürliches Bedürfnis.«
    »Ja, vielleicht.« Viviane hielt es für klüger, es dabei bewenden zu lassen.
    Es war spätabends, als Viviane todmüde auf ihr Lager fiel. Raudaborsti kroch unter Vivianes Decke. »So

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