Wogen der Sehnsucht
es war schwer, mit dieser Angewohnheit zu brechen, aber die Wahrheit war, dass es ihr nicht leidtat. Sie war froh.
Sie selbst war von einer Mutter großgezogen worden, die viel zu jung und planlos und unfähig und völlig überfordert gewesen war. Aber das hatte Lilys Bedürfnis, sich um andere zu kümmern, nur verstärkt. Ihre Puppen schliefen immer in sorgfältig angezogenen Pyjamas, wurden in ihren Schuhkartonbetten liebevoll zugedeckt und bekamen etwas vorgelesen, obwohl sie selbst so etwas nie erlebt hatte. Solange sie sich erinnern konnte, war da dieses Bedürfnis in ihr gewesen, jemanden zu lieben und sich um ihn zu kümmern, ein Gefühl, das mit ihrem Herzen schlug und durch die Leere in ihrem Leben und in ihrem Körper hallte. Sie hatte nicht darauf hören wollen, bis zu jenem Moment in Dr. Lees Praxis, als er ihr gesagt hatte, dass sie schwanger sei. Diese Nachricht hätte sie entsetzen sollen, aber tatsächlich war sie seitdem von einer tiefen, reinen Freude erfüllt.
Sie wollte dieses Baby. Mehr als alles andere jemals zuvor.
Langsam drehte Tristan sich um. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war wie ein Januarmorgen in Sibirien – dunkel, trostlos und total abweisend.
„Gratuliere“, sagte er sehr leise. „Dir und dem Vater.“
„Was?“ Mit einem ungläubigen Keuchen sprang sie auf die Füße. „Nein! Du verstehst nicht. Ich …“
Er drehte sich wieder um und blickte in den Garten hinaus, während er ihren hitzigen Protest unterbrach. „Ich muss dich warnen. Du solltest sehr gut darüber nachdenken, was du jetzt sagst, Lily.“
Seine Stimme war leise, aber es schwang etwas darin mit, das sich wie scharfer Stahl an ihrem Hals anfühlte. Lily spürte, wie der Schweiß in ihrem Nacken zu kaltem Eiswasser wurde, und biss die Zähne zusammen, die plötzlich zu klappern drohten. Sie ließ sich wieder auf die Bank fallen, weil ihre Knie unter ihr nachgaben.
„Du kannst mir keine Angst machen.“
Zu ihrer Überraschung lachte Tristan; ein hohles, freudloses Lachen, in dem auch Verzweiflung mitschwang. „Du versteht wirklich überhaupt nichts, oder? Ich versuche nicht, dir Angst zu machen . Ich versuche, dich zu retten . Ich versuche, dir eine Chance zu lassen. Dir die Freiheit zu geben, deine Entscheidung zu treffen, denn …“ Er brach plötzlich ab und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Dann ließ er sich schwer neben sie auf die Bank sinken und vergrub für einen Moment das Gesicht in den Händen. Als er den Kopf wieder hob, verwandelte der tote Ausdruck in seinen Augen ihr Innerstes zu Eis. „Weil dir das alles in der Sekunde genommen sein wird, in der du sagst, dass dieses Kind von mir ist.“
Lily knetete die Hände in ihrem Schoß, massierte ihre tauben Finger, während Panik sie erfasste und die Worte aus ihrem Mund stolpern ließ: „Ich will nichts von dir, Tristan. Ich will kein Geld oder irgendeine Anerkennung oder dass du Verantwortung übernimmst. Ich habe damals die Pille genommen, aber ich war krank, als ich in Afrika war, deshalb ist es meine Schuld. Ich übernehme die Verantwortung für alles, aber ich dachte, du solltest wissen, dass das Kind von dir ist.“
„Wer weiß noch davon?“
„N-niemand.“ Trotz des milden Abends zitterte sie jetzt heftig. „Ich habe niemandem davon erzählt. Noch nicht einmal Scarlet, aber ich kann es nicht mehr lange verheimlichen.“
„Du willst das Kind behalten?“
„Ja!“ Weiß glühende Wut stieg in ihr auf, als er ihr diese Frage mit so beiläufiger Brutalität stellte. „Ja, und darüber diskutiere ich auch nicht.“
Nichts konnte diese furchtbare eisige Ruhe durchbrechen. „Und du hast vor, mich als Vater des Kindes eintragen zu lassen? Auf der Geburtsurkunde?“
„Natürlich!“ Ihre klappernden Zähne waren so fest aufeinandergepresst, dass sie sprach, ohne dabei wirklich die Lippen zu bewegen. Ihre Stimme war nur noch ein leises, wütendes Raunen. „Ich werde mein Kind nicht ohne einen Namen aufwachsen lassen. Ohne eine Identität.“
„Nein?“ Er lehnte sich auf der Bank zurück, hob den Kopf und atmete tief ein, bevor er sich ihr wieder zuwandte. Sein Blick war kalt und abschätzend. „Wie viel würde es kosten, damit du dir das noch mal überlegst, Lily? Ich werde dich das nur ein Mal fragen, und du solltest dir deine Antwort gut überlegen.“
„Du willst mich auszahlen ?“, keuchte Lily, hin- und hergerissen zwischen Lachen und dem Drang, gewalttätig zu werden. „Du willst mich bestechen , damit ich dich
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