Wogen der Sehnsucht
nicht sicher … ich …“
Sie blickte an sich herunter. Die Krankenschwester hatte den Verband geöffnet, und sie konnte die frische Operationswunde sehen, die über ihren furchtbar flachen Bauch verlief. Kaltes Entsetzen packte sie, als ihr wieder klar wurde, was diese Narbe bedeutete.
Die Krankenschwester schien zufrieden.
„Heilt schön“, sagte sie mit einem Lächeln. „Sie können bald nach Hause.“
Lily befeuchtete ihre aufgeplatzten Lippen mit der Zunge. „Aber wird es wieder passieren? Beim nächsten Mal?“
Die Krankenschwester schien einen Moment lang zu erstarren, und dann spiegelten sich verschiedene Gefühle auf ihrem Gesicht – Schock, Mitleid, Angst – und schließlich, als der Arzt im Türrahmen erschien, Erleichterung.
„Der Doktor wird Ihnen alles erklären.“ Sie tätschelte Lilys Hand und verließ schnell das Zimmer.
Als sie später zurückkam, lag Lily zusammengerollt mit dem Gesicht zur Wand im Bett, und die Krankenschwester nahm an, dass sie schlief. Sie wollte gerade wieder aus dem Zimmer schleichen, als Lily sagte: „Ich möchte, dass Sie Señor Romero anrufen und ihm sagen, er soll nicht kommen. Heute nicht und auch an keinem anderen Tag.“
Die Krankenschwester ging zum Bett hinüber und legte Lily die Hand auf die Schulter. „Sagen Sie das nicht … ein Mann und eine Frau müssen in so schlimmen Zeiten zusammenhalten. Das ist der Sinn einer Ehe; Liebe und gegenseitige Unterstützung …“
Langsam drehte Lily sich um, und der Ausdruck auf ihrem Gesicht ließ die Krankenschwester schockiert schweigen. Später beschrieb sie ihn ihren Kollegen auf der Station als den eines Tieres, das weiß, dass es sterben muss, und allein gelassen werden will, um es zu tun.
„Aber nicht bei meiner Ehe“, sagte Lily gequält. „Meine Ehe ist jetzt vorbei. Zwischen meinem Mann und mir gibt es nichts mehr. Bitte sagen Sie ihm das.“
Ihre Augen glitzerten wild, während sie sprach. Mit einem stummen Nicken hastete die Krankenschwester aus dem Zimmer.
11. KAPITEL
„Also, Mrs. Romero … ist es okay, wenn ich Sie Mrs. Romero nenne, oder? Es ist nur, ich glaube, Ihr voller Name oder Ihr – äh –, Ihr Titel passten nicht auf das Formular.“
„Nein, nein, natürlich. Das ist in Ordnung.“ Lily bemerkte den scharfen, kritischen Unterton in Miss Squires Stimme, doch sie zwang sich, ihn zu ignorieren. Die Sozialarbeiterin konnte Lily nennen, wie immer sie wollte, solange es sie näher an ihr Ziel brachte.
Sie saßen im Garten des Hauses in Primrose Hill, wohin Lily nach der Fehlgeburt vor sechs Monaten zurückgekehrt war, und Lily hatte im Schatten des Kirschbaums den kleinen französischen Kaffeetisch gedeckt in der Hoffnung, Miss Squire mit dem rechteckigen Stück Rasen überzeugen zu können. Darauf konnte das Kind, das sie so gerne adoptieren wollte, schließlich ganz hervorragend Fußball spielen, und die dicken Äste des großen Kirschbaums schienen perfekt geeignet, um eine Schaukel daran zu befestigen. Doch Miss Squire achtete gar nicht auf ihre Umgebung, sondern kreuzte nur mit strengem Gesicht etwas in den Formularen an, die vor ihr auf dem Tisch lagen.
„Bitte verzeihen Sie, wenn ich das fragen muss“, sagte Miss Squire mit einem leichten Lachen. „Aber wir haben nicht viele Marquesas, die sich um eine Adoption bewerben. Ihr Mann würde das Gleiche über seinen Titel sagen, oder – wenn er hier wäre?“
„Absolut. Mein Mann benutzt seinen Titel nie. Das ist wirklich völlig irrelevant“, versicherte Lily ihr hastig. „Und er lässt sich vielmals entschuldigen, aber er wurde bei der Arbeit aufgehalten. Er muss jeden Moment hier sein.“
Es war immer noch merkwürdig für sie, über Tristan zu sprechen, als habe es ihre Trennung und die lange Zeit des Schweigens zwischen ihnen nicht gegeben. Aber es war wichtig, dass Miss Squire nicht merkte, wie es jetzt, gut sechs Monate nach ihrer Fehlgeburt, tatsächlich um ihre Ehe bestellt war. Denn der Gedanke, vielleicht bald ein Kind adoptieren zu können, gab Lily endlich neue Kraft.
Es war schwer gewesen, sich aus dem Bann der tiefen Trauer, in den sie nach dem Verlust des Babys geraten war, zu lösen und zurück in ein Leben zu finden, dessen Leere sie immer noch schmerzte. Scarlet war während dieser Zeit für sie da gewesen, und auch ihre Familie hatte sich rührend um sie gekümmert. Aber sie alle konnten Lily nicht zurückgeben, was sie verloren hatte. Und sie konnten ihr den Mann nicht ersetzen, nach dessen
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