Wogen der Sehnsucht
als würde sie erdrückt … erstickt …
„Willkommen in der Familie, Lily“, sagte Allegra, nachdem sie ihr auch noch zwei passende Rubinohrringe angelegt hatte. „Ich hoffe, dass …“
In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Tristan kam herein. Er blieb stehen, und etwas an der Art, wie er regungslos dastand, ließ Lilys Herz wild schlagen. Im Licht der Schirmlampe wirkte er sehr blass.
Und unglaublich wütend.
„Zieh das aus“, sagte er mit einer Stimme aus gefrorenem Stahl. „Sofort.“
Verstehen wirbelte durch Lilys Kopf wie ein Hurrikan. Ihre Finger tasteten hastig nach dem Verschluss der Kette. Natürlich, dachte sie verzweifelt, natürlich. Er wollte ihr damit sagen, dass sie kein Recht hatte, die Romero-Juwelen zu tragen. Ihre Brust brannte vor lauter Anstrengung, zu atmen und gleichzeitig gegen die Tränen anzukämpfen.
Ihre Ehe war eine Farce. Modeschmuck. Nicht echt. Die Romero-Juwelen gehörten um den Hals einer Frau, die Tristan liebte, einer Frau, die er freiwillig heiratete, nicht einer, die ihn dazu gezwungen hatte.
Sie gab Allegra die Kette zurück. Dann folgte sie Tristan mit einem gefrorenen Lächeln auf den Lippen aus dem Zimmer.
„Tristan, es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass sie das tun würde, und ich wollte die Kette nicht …“
„Vergiss es“, sagte Tristan, während er aus dem Wagenfenster in die dunkle Nacht starrte. Seine Stimme klang wie ein Peitschenhieb. „Es war nicht deine Schuld.“
Nicht ihre Schuld. Natürlich nicht, dachte Lily verzweifelt. Sie konnte nichts für das, was sie war, oder eher, was sie nicht war – adelig, mit guten Beziehungen und einer so langen Reihe von Nachnamen, dass sie nicht auf die Kreditkarte passte.
Und darum ging es hier.
Sie hatte als Romero-Braut versagt, weil sie nicht in den elitären Kreis der Romeros passte. Tristan mochte Schwierigkeiten mit seiner Familie haben, aber auf einer primitiven Ebene war er fest an sie gebunden.
In meiner Familie bekommt man Wurzeln, die so tief sind, dass sie sich wie Betonanker anfühlen, die einen so festhalten, dass man sich nicht bewegen kann.
So war es. So war er, und nichts würde etwas daran ändern. Die Frage war, würden sie einen Weg finden, damit zu leben? Während der Wagen durch die schmalen Straßen des gotischen Viertels fuhr, legte Lily vorsichtig ihre Hand auf seine.
„Tristan, ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe.“
Er zog seine Hand unter ihrer hervor und sah sie an.
„Nein“, sagte er ausdruckslos. „Du hast nichts falsch gemacht, sondern ich. Es war falsch von mir, zu glauben, dass unsere Verbindung mehr sein könnte als eine geschäftliche Vereinbarung. Es war falsch von mir, dich glauben zu lassen, dass das zwischen uns jemals funktionieren könnte.“
Lily spürte, wie sie blass wurde. „Und was ist mit heute Nachmittag?“
„Das war ein Fehler.“
„Nein …“, wimmerte sie. „Tristan, nein.“
„Doch.“ Seine Stimme klang tief und gepresst. „Ich denke dabei an dich, Lily; ich versuche, das zu tun, was am besten für dich ist. Wir müssen vor den anderen unsere Scharade aufrechterhalten, aber ich kann das nicht tun, wenn wir allein sind.“ Er seufzte. „Von jetzt an wird es so sein, wie wir es zu Anfang verabredet hatten. Eine geschäftliche Verbindung. Eine Ehe auf dem Papier.“
Lily war zu schockiert, um zu weinen. Sie hatte hoch gepokert und verloren. Alles, auch ihre Würde und ihr Herz. Alles, was ihr jetzt noch blieb, war ihr Baby.
10. KAPITEL
„Wir fast da, Marquesa. Ich parke vor Haus?“
„Ja, bitte, Dimitri.“ Lily lächelte, als der Chauffeur sie wieder mit ihrem ungeliebten Titel anredete. Und dabei hatte sie ihm schon so oft gesagt, er möge sie Lily nennen. „Wie geht es Irina?“
Der schweigsame Russe antwortete nicht, sondern parkte zuerst das Auto vor dem Haus in Eixample, in der die Wohnung lag, in der Lily seit der Hochzeit mit Tristan zusammenwohnte. Dann holte Dimitri ein zerknittertes Ultraschallbild aus seiner Tasche und zeigte es ihr stolz. Darauf zu sehen waren die Umrisse der ungeborenen Zwillinge seiner Schwester.
„Oh, Dimitri – wir groß sie schon sind! Wann hat sie denn Termin?“
Er war um den Wagen herumgegangen und öffnete ihr die Tür. „In sechs Wochen. Aber vielleicht sie kommen früher.“
Lily nahm ihre Handtasche und schob sich mit ihrem inzwischen sehr runden Bauch vorsichtig aus dem Auto.
„Wie geht es ihr?“, fragte sie vorsichtig. Dimitri hatte ihr erzählt, dass
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