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Wohin das Herz uns trägt

Wohin das Herz uns trägt

Titel: Wohin das Herz uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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geblättert. Jedes Mal, wenn sie auf ein Bild gestoßen ist, hat sie ein Geräusch von sich gegeben und mit der flachen Hand auf die Seite geschlagen. Dann hat sie mich gesucht. Anscheinend ist es ihr am liebsten, wenn ich sie die ganze Zeit über beobachte.
    Noch immer folgt sie mir überallhin, wie ein Schatten. Häufig steckt sie ihre Hand unter meinen Gürtel oder in meinen Hosenbund und drückt sich an mich. Aus irgendeinem Grund kann sie schon im Voraus ziemlich gut erraten, wo ich hingehe.
    Nach wie vor zeigt sie keinerlei Interesse an anderen Menschen. Wenn jemand hereinkommt, rennt sie sofort in ihren »Dschungel« und versteckt sich. Ich glaube, sie denkt, wir können sie da nicht sehen.
    Ihre Besitzansprüche mir gegenüber werden immer ausgeprägter, vor allem wenn wir nicht alleine sind. Das zeigt mir; dass sie die Fähigkeit besitzt, Bindungen einzugehen und zu pflegen. Unfähig - oder nicht willens - diesen Besitzanspruch zu verbalisieren, sobald andere Leute sich mit mir unterhalten, nutzt sie das, was ihr gerade zur Verfügung steht, um Lärm zu machen - sie schlägt an die Wand, schnaubt, scharrt mit den Füßen, heult. Ich hoffe, dass ihre Frustration über die Beschränktheit solcher Kommunikationsformen sie irgendwann dazu bringt, ihre Gefühle in Worte zu fassen und zwar möglichst bald.
    Julia nahm ihren Stift und fügte hinzu:
    In den letzten Wochen hat sie sich gut in ihrer neuen Umgebung eingewöhnt. Sie steht oft lange am Fenster, aber nur, wenn ich ihr Gesellschaft leiste. Deutlich zu merken ist auch eine zunehmende Neugier ihrer Welt gegenüber. Sie hebt Gegenstände hoch, um zu schauen, was sich darunter befindet, zieht Schubladen heraus, öffnet Schränke. Sie berührt nach wie vor nichts aus Metall - und schreit, wenn sie aus Versehen damit in Kontakt kommt - aber langsam arbeitet sie sich zur Tür vor. Heute hat sie mich schon zweimal zur Tür bugsiert und dann gezwungen, mich dort neben ihr auf den Boden zu legen. So haben wir fast eine Stunde in absoluter Stille verbracht und auf den Lichtstreifen gestarrt, der vom Korridor hereinkommt. Auf der anderen Seite haben die Hunde gejault und an der Tür gekratzt, weil sie hereinwollten. Offensichtlich beginnt Alice sich zu fragen, was dort draußen ist. Das ist ein gutes Zeichen - aus Angst ist Neugier geworden. Deshalb denke ich, es ist Zeit, ihre Grenzen ein wenig zu erweitern. Aber wir müssen sehr vorsichtig sein, ich bin nämlich überzeugt, dass der Wald eine enorme Anziehungskraft auf sie ausüben wird. Irgendwo da draußen, in der großen Dunkelheit, ist schließlich der Ort, wo sie zu Hause war.
    Vom Bett war eine Bewegung zu hören. Das alte Holzgestell knarrte, als Alice aufstand. Wie immer führte ihr erster Weg sie sofort ins Bad. Flink und fast geräuschlos flitzte sie über den Holzboden und verschwand in dem kleineren Raum. Wenige Augenblicke später wurde die Spülung betätigt. Dann rannte Alice zu Julia, schmiegte sich an sie und steckte ihre winzige Hand in Julias Hosentasche.
    Julia legte den Stift beiseite, sammelte ihre Hefte und Notizbücher ein und verstaute alles wieder ganz oben im Schrank. Lautlos ging Alice neben ihr her, ohne den Kontakt zu verlieren.
    Danach gingen sie zur Kommode, und Julia holte eine blaue Latzhose und einen hübschen rosaroten Pulli heraus. »Zieh das an«, sagte sie und drückte Alice die Sachen in die Hand. Für den Pullover brauchte sie mehrere Anläufe, weil sie immer wieder Hals- und Armausschnitt verwechselte. Als sie schließlich frustriert wurde und heftig zu atmen und zu schnauben anfing, kniete sich Julia neben sie.
    »Es ärgert dich, dass es nicht klappt. Das ist völlig in Ordnung. Hier. Da musst du den Kopf durchstecken.«
    Sofort beruhigte sich Alice und ließ sich von Julia helfen. Doch sie wollte um nichts in der Welt Schuhe anhaben, und am Ende musste Julia sich geschlagen geben.
    »Komm mit mir«, sagte sie. »Aber du kriegst bestimmt kalte Füße.« Sie streckte der Kleinen die Hand hin.
    Alice kam zu ihr und vergrub wieder die Hand in ihrer Hosentasche.
    Ganz sachte löste Julia sich von ihr und streckte ihr erneut die Hand entgegen. »Nimm meine Hand, Alice.« Seidenweich klang ihre Stimme.
    Alice atmete schneller, und sie verzog verwirrt und beunruhigt das Gesicht.
    »Alles in Ordnung.«
    Minuten verstrichen. Sie standen beide absolut reglos da. Zweimal versuchte Alice noch, in Julias Tasche zu fassen, und wurde sanft abgewiesen.
    Schließlich, gerade als Julia

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