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Wohin das Herz uns trägt

Wohin das Herz uns trägt

Titel: Wohin das Herz uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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sie im Bad ihr Make-up aufgefrischt und sich die Zähne geputzt. Zurück im Pausenraum fragte sie Peanut: »Wie seh ich aus?«
    »Das ist so was von abartig. Du bist jetzt schon im Tussi-Modus.«
    »Ach, rutsch mir doch den Buckel runter. Ich hatte seit Monaten kein Date mehr.« Ellie strich sich die Uniform glatt, rückte die drei goldenen Sterne auf ihrem Kragen zurecht und ging entschlossen ins Büro hinaus. Peanut lief hinter ihr her.
    Cal blickte auf. Natürlich bemerkte er die Schminke, warf einen Blick zu dem geheimnisvollen Mann hinüber und schüttelte den Kopf. »Was für eine Überraschung«, brummte er.
    Unbeirrt marschierte Ellie weiter. »Hallo, ich bin Chief Barton«, stellte sie sich vor. »Ich habe gehört...«
    Der Fremde wandte sich ihr zu.
    Ellie vergaß, was sie sagen wollte. Sie hatte nur noch Augen für die gemeißelten Wangenknochen, die vollen Lippen, den wilden schwarzen Wuschelkopf. Dann nahm der Besucher auch noch die Sonnenbrille ab und enthüllte ein Paar stahlblaue Augen. Herr des Himmels.
    Ohne ihm die Hand zu schütteln, sank Ellie auf ihren Stuhl.
    »Ich war lange unterwegs, um Sie zu sehen«, sagte er mit müder, heiserer Stimme.
    Ein Akzent. Nur eine Spur; aber genug. Sie konnte ihn nicht ganz einordnen. Vielleicht australisch? Oder Cajun? Ellie liebte Männer mit Akzent.
    »Ich bin George Azelle.« Er griff in die Tasche, zog ein Stück Papier heraus und legte es auf Ellies Schreibtisch. Der Name sagte ihr etwas.
    »Ich sehe, Sie erinnern sich an mich.« Er beugte sich vor und schob das Papier näher zu ihr. »Sie brauchen sich nicht zu genieren, weil Sie mich so anstarren. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Ich bin ihretwegen hier.«
    »Ihretwegen?«
    Er faltete das Papier auseinander. Es war ein Bild von Alice. »Ich bin ihr Vater.«
    * * *
    »Alice, wie oft müssen wir diese Diskussion denn noch führen?« Julia musste über ihre eigene Frage lachen. Zwar machten sie und Alice viel zusammen, aber nichts davon konnte man im engeren Sinne als Diskutieren bezeichnen. »Zieh deine Schuhe an.«
    »Nein.«
    Julia ging zum Fenster und deutete hinaus. »Es regnet.«
    »Nein.« Alice ließ sich auf dem Boden nieder.
    »Wir wollen essen gehen. Erinnerst du dich an den Diner, das kleine Restaurant? Da waren wir letzte Woche und haben leckeren Kuchen gekriegt. Zieh deine Schuhe an.«
    »Nein. Schuhe riechen.«
    Theatralisch warf Julia die Hände in die Luft. »Na gut, dann bleibst du eben hier bei Jake und Elwood, und ich bringe dir ein Stück Kuchen mit.« Sie ging in die Küche, sammelte mit demonstrativen Bewegungen ihren Schlüssel und ihre Handtasche ein und schlüpfte in die Jacke. Als sie fast bei der Tür war, hörte sie, wie Alice aufstand.
    »Mädchen gehn?«
    Julia verkniff sich ein Lächeln und drehte sich um. Da stand Alice, ihr kleines Gesicht von Wut und Sorge gleichermaßen verzerrt. Ihre Latzhose war vom letzten gemeinsamen Projekt noch mit Farbklecksen übersät. Julia stieg hastig in ihre Stiefel. Bei einem normalen störrischen Kind wäre sie wahrscheinlich hart geblieben und hätte sich mit dem Hinweis: Tut mir leid, aber ohne Schuhe kannst du nicht in ein Restaurant mitkommen , allein auf den Weg gemacht.
    Nun jedoch kniete sie sich zu Alice, so dass sie auf gleicher Augenhöhe waren. »Erinnerst du dich an unser Gespräch über Regeln?«
    »Mädchen gut. Mädchen böse.«
    Unwillkürlich zuckte Julia bei dieser Beschreibung zusammen, aber Verhaltensregeln waren eben eine komplexe Angelegenheit. Sie waren Kennzeichen der Sozialisation, es dauerte Jahre, sie zu verinnerlichen und zu verstehen. Gesellschaften konnten nur mithilfe von allgemeinen Verhaltensvorschriften funktionieren, an die sich die Menschen hielten. »An manchen Orten müssen kleine Mädchen Schuhe anhaben.«
    »Mädchen mag nicht.«
    »Das weiß ich, Schätzchen. Aber wie wäre es denn, wenn du die Schuhe im Auto auslässt? Du ziehst sie erst an, wenn wir in der Stadt sind, und kannst sie wieder ausziehen, sobald wir heimfahren. Okay?«
    Alice runzelte nachdenklich die Stirn. »Keine Socken.«
    »Einverstanden.«
    Pflichtbewusst holte Alice die Stiefel aus der Kiste bei der Tür und ging nach draußen, ohne sich eine Jacke überzuziehen.
    Als sie auf die Veranda trat, zog eine Wolke am Himmel vorüber und verdunkelte den Garten. Aus dem Nieselregen wurden winzige Schneeflocken, die sich sacht auf Alices dunklen Kopf und ihr nach oben gewandtes Gesicht legten, wo sie sofort schmolzen und kleine

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