Wohin das Herz uns trägt
Julia sich auf. »Max? Was ist los, du siehst ja ...«
Er drückte ihr das Foto in die Hand. »Das ist Danny.«
Interessiert studierte sie das kleine, strahlende Gesicht und sah dann Max wieder an, abwartend.
»Er war mein Sohn.«
Sie schnappte hörbar nach Luft. »War?«
»Das ist das letzte Bild, das wir von ihm haben. Eine Woche später hat ein Betrunkener ihn auf dem Heimweg von einem Spiel überfahren.«
Julias Augen füllten sich mit Tränen. Eigentlich hätte der Anblick ihn niederschmettern müssen, ihn auf seinen Verlust zurückwerfen, aber stattdessen gab er ihm Kraft. Zum ersten Mal seit Jahren hatte er Dannys Namen laut ausgesprochen, und es fühlte sich gut an.
»Ich würde alles tun ...« Er starrte auf sie hinunter, und es war ihm gleich, dass seine Stimme zitterte und dass auch ihm die Tränen kamen. »Alles, um noch einen einzigen Tag mit ihm verbringen zu dürfen.«
Eine ganze Weile betrachtete Julia das Bild nur, dann nickte sie langsam und voller Verständnis. »Ich liebe dich, Max.«
Er schloss sie in die Arme und drückte sie an sich. »Und ich liebe dich auch.« Er sagte das so leise, dass sie sich fragte, ob sie es sich am Ende nur eingebildet hatte. Aber dann sah er ihr in die Augen, und sie wusste, dass sie sich nicht geirrt hatte.
»Eines Tages wirst du mir von ihm erzählen ..., von Danny«, sagte sie.
Er küsste sie. »Ja, eines Tages, ganz bestimmt.«
Kapitel 24
»Alice, Schätzchen, hörst du mir zu?«
»Lesen Alice.«
»Wir können jetzt nicht lesen. Erinnerst du dich, worüber wir heute Morgen und beim Mittagessen geredet haben?« Julia gab sich alle Mühe, ruhig zu klingen. »Ein Mann wird Alice besuchen.«
»Nein. Spielen Dschulie.«
Julia stand auf. »Ich gehe jetzt nach unten. Wenn du möchtest, kannst du allein hier oben bleiben.«
Sofort stieß Alice ein Wimmern aus. »Nich weggehn.« Sie stand von ihrem Stuhl auf, rannte zu Julia und steckte die Hand in ihre Rocktasche.
Julias Herz wurde schwer. »Komm«, sagte sie leise.
Seite an Seite gingen sie die Treppe hinunter, Alice mit der Hand fest in Julias Tasche.
Ellie stand neben dem Kaminfeuer und gab vor, die Zeitung zu lesen. Leider hielt sie sie verkehrt herum. »Hallo«, begrüßte sie die beiden, als sie hereinkamen. Obwohl sie geschminkt war und sich die Haare aufgedreht hatte, wirkte sie müde und ängstlich.
»Hallo Lellie«, sagte Alice und zog Julia zu ihrer Schwester. »Lesen Alice?«
Ellie lächelte. »Dieses Kind ist wie ein Jagdhund auf frischer Fährte.« Sie zerzauste Alices schwarze Haare. »Später.«
Julia kniete sich hin und sah Alice an, die über das ganze Gesicht strahlte.
»Lesen jetzt?«
»Wenn dieser Mann kommt, brauchst du keine Angst zu haben. Ich bin hier. Und Ellie auch. Du bist bei uns in Sicherheit.«
Alice runzelte die Stirn.
Es klingelte an der Tür.
Julia zuckte schreckhaft zusammen.
Wie aufs Stichwort begannen die Hunde, die im oberen Stock in Ellies Zimmer eingesperrt waren, wild herumzuspringen und zu bellen.
Langsam richtete Julia sich auf.
Ellie ging zur Tür. Einen Augenblick hielt sie inne, lange genug, um die Schultern zu straffen, dann machte sie auf.
George Azelle hielt einen riesigen Teddybären im Arm. »Hallo, Chief Barton«, sagte er, während er versuchte, an ihr vorbeizuschielen.
Ellie trat beiseite.
Wie aus großer Entfernung beobachtete Julia die Szene, wie der Geist eines vor kurzem Verstorbenen, der mit dabei sein will, wenn sich seine Familie nach der Beerdigung trifft. Ein wenig ratlos standen alle in der Gegend herum.
Schließlich ging Azelle an Ellie vorbei ins Wohnzimmer. Heute waren seine schwarzen Locken wieder zu einem Zopf zurückgebunden. Außerdem trug er eine gewöhnliche Jeans und ein teures weißes Hemd, die Ärmel bis zu den Ellbogen aufgekrempelt.
Wenn man Vater und Tochter jetzt im gleichen Raum sah diesen Mann mit den dunklen Locken und den markanten Gesichtszügen und das kleine Mädchen, das beinah sein Ebenbild war -, ließ sich die Verbindung zwischen ihnen nicht leugnen.
Er ließ den Teddy über die Hüfte nach unten rutschen und hielt ihn nachlässig an einem Arm fest. »Brittany.« Ganz leise sagte er den Namen, und das Staunen in seiner Stimme war nicht zu überhören.
Alice versteckte sich hastig hinter Julia.
»Schon gut, Alice«, sagte Julia und versuchte erfolglos, sich etwas von ihr zu lösen. »Sie hat einen starken Willen«, meinte sie, an Azelle gewandt.
»Den hat sie von mir«, antwortete er.
Die
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