Wohin das Herz uns trägt
fallen lässt.
Wo ist Brittanys Ball? Wo ist er?
Sie schaut Dschulie an, die jetzt so traurig ist, dass Mädchens Herz wehtut.
Wie kann Mädchen ihr sagen, wie glücklich sie hier ist, dass das hier ihre Welt ist, all das, was sich richtig anfühlt? Das fühlt sie nirgendwo sonst.
»Bist du Brittany?«
Endlich versteht sie. Bist du Brittany? Ganz langsam beugt sie sich zu Dschulie und gibt ihr einen Kuss. Als sie sich wieder zurücklehnt, sagt sie: »Ich Alice.«
»O Schätzchen ...« Wieder kommt Wasser aus Dschulies Augen, sie scheint zu schrumpfen. Sie zieht Alice an sich und hält sie so fest, dass Alice kaum Luft bekommt. Aber sie lacht dabei. »Ich hab dich lieb, Alice.«
Alice sagt es noch einmal, weil sie es kann und weil es ihr das Gefühl gibt, sie kann fliegen. Sie ist nicht mehr bloß Mädchen. »Ich Alice.«
* * *
An ihrem Schreibtisch im Polizeirevier starrte Ellie auf den riesigen Papierberg, der sich vor ihr auftürmte. Die winzigen schwarzen Buchstaben tanzten über die Seiten und verschwammen ineinander. Frustriert schob sie alles beiseite und verspürte eine alberne Genugtuung, als das Zeug auf den Boden segelte.
Schließlich stand sie auf, verließ ihr Büro und wanderte eine Weile im Hauptraum zwischen den leeren Schreibtischen und den stummen Telefonen auf und ab.
Was nun?
Ihre Nachforschungen hatten rein gar nichts ergeben. Wie sollten sie das Gericht bloß davon überzeugen, dass George Azelle als Vater nicht geeignet war?
Julia - und Alice - würden verlieren.
Langsam schlenderte Ellie zu dem geheimen Schränkchen hinten im Raum und holte eine Flasche Scotch heraus, die einmal ihrem Onkel gehört hatte. »Danke, Joey«, sagte sie und goss sich etwas davon ein. Sicherheitshalber nahm sie die Flasche mit an ihren Schreibtisch, knipste im Hauptraum das Licht an, ließ sich nieder und nippte nachdenklich an ihrem Whiskey.
Was nun?
Die Frage kreiste in ihrem Kopf wie Schmutzpartikel im Abfluss.
Gerade wollte sie sich den nächsten Drink einschenken, als die Tür aufging.
Da stand George Azelle, in verwaschenen Designerjeans und einem schwarzen Wildlederhemd, weit genug aufgeknöpft, dass man einen guten Ausblick auf ein Dreieck dichter schwarzer Brustbehaarung hatte.
»Chief Barton«, sagte er und trat ein. »Ich hab gesehen, dass hier noch Licht brennt.«
»Das ist in einer Polizeistation nichts Besonderes.«
»Ah. Dann sind Sie also immer um Mitternacht hier anzutreffen, ja? Und trinken Whiskey?«
»Außergewöhnliche Umstände erfordern manchmal außergewöhnliche Maßnahmen.«
Er deutete mit einer Kopfbewegung auf ihren Drink. »Haben Sie vielleicht ein zweites Glas?«
»Na sicher.« Zwar war das nicht unbedingt professionell, aber sie war ja auch nicht im Dienst, und momentan war ihr sowieso alles gleichgültig. Sie ging in die Küche, holte ein weiteres Glas und Eis für ihn und kehrte damit an den Schreibtisch zurück. In ihrer Abwesenheit hatte er einen Stuhl herangezogen, sodass er ihr jetzt gegenübersaß. Sie gab ihm das Glas. Die Eiswürfel klimperten leise.
Sie musterte ihn, bemerkte die Schatten um die Augen, die von schlaflosen Nächten erzählten, die dünnen Narben an seinem linken Handgelenk. Irgendwann, vor langer Zeit, hatte er versucht, sich umzubringen. »Ich liebe meine Tochter, wissen Sie. Ganz egal was Sie vielleicht in den Berichten da auf dem Boden gelesen haben.«
Seine Worte trafen eine weiche Stelle in Ellies Herzen, nisteten sich dort ein, und das ganz gewiss nicht unbeabsichtigt. Sie lehnte sich zurück, um etwas mehr Distanz zwischen ihnen zu schaffen. »Erzählen Sie mir etwas über Ihre Ehe.«
Er winkte ab, aber auch diese Bewegung wirkte seltsam verführerisch. Ellie fühlte sich an einen mittelalterlichen Herrscher erinnert. »Es war schrecklich. Sie ist fremdgegangen. Ich bin fremdgegangen. Wir haben uns permanent gestritten. Sie wollte die Scheidung. Es wäre meine dritte gewesen.« Er lächelte entwaffnend. »Auf meine Art bin ich ein Romantiker.«
Das kam Ellie bekannt vor. Er glaubt an die Liebe, dachte sie. Genau wie ich. Schnell verdrängte sie den Gedanken. »Und wo ist Ihre Frau jetzt?«
»Das weiß ich nicht. Falls Sie sich wundern, dass meine Antwort so gefühllos klingt, möchte ich Sie daran erinnern, dass ich diese Frage schon seit Jahren zu hören bekomme. Niemandem gefällt meine Antwort. Ich dachte, sie hat Brittany mitgenommen und ist mit einem anderen Mann abgehauen.«
Ellie musterte ihn beim Sprechen. Seiner
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