Wohin das Herz uns trägt
kann, dann meine Schwester. Momentan besteht unser Job darin, einen Arbeitsplatz für sie zu finden.« Ellie klopfte mit ihrem Stift auf den Tisch.
Peanut fing schon wieder an zu husten.
»Lass doch die Kippen, Pea. Du bist echt die schlimmste Raucherin, die ich je gesehen habe.«
»Und ich hab diese Woche ein Pfund zugenommen. Ich glaube, ich esse doch lieber wieder Kohlsuppe. Oder vielleicht diesmal Karotten.« Peanut drückte die Zigarette aus. »Hey, wie wäre es mit dem alten Sägewerk? Da würde sie bestimmt keiner suchen.«
»Zu kalt. Zu schwer zu verteidigen. Irgendein gerissener Paparazzo würde garantiert eine Möglichkeit finden, sich reinzuschleichen. Außerdem führen vier Straßen hin, und wir müssten mindestens sechs Türen bewachen lassen. Und es ist Privatgrund.«
»Bezirkskrankenhaus?«
»Zu viele Angestellte. Früher oder später würde jemand die Geschichte verkaufen.« Ellie runzelte die Stirn. »Was wir brauchen, ist ein geheimer Schlupfwinkel und absolute Verschwiegenheit des direkten Umfelds.«
»In Rain Valley? Du machst Witze. Tratsch ist das Lebenselixier dieser Stadt. Jeder hier will mit der Presse reden.«
Auf einmal fiel es Ellie wie Schuppen von den Augen. Die Antwort war so offensichtlich, wie hatte sie sie übersehen können? Das gleiche Prinzip wie damals in der Highschool, als sie das Klassenbuch geklaut hatten. Ellie hatte das Ganze geplant. »Ruf Daisy Grimm an.«
Peanut warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Gleich kommt der Bachelor im Fernsehen.«
»Das ist mir egal. Ruf sie an. Ich möchte alles, was in der Stadt Rang und Namen hat, morgen früh um sechs in der Kongregationskirche sehen.«
»Eine Stadtversammlung? Aus welchem Anlass denn?«
»Streng geheim.«
»Eine streng geheime Stadtversammlung in aller Herrgottsfrühe. Wie dramatisch.« Peanut zog einen Stift aus ihren locker hochgesteckten kastanienbraunen Haaren. »Was steht auf der Tagesordnung?«
»Das Fliegende Wolfsmädchen natürlich. Wenn unsere Mitbürger Tratsch haben wollen, dann geben wir ihnen doch etwas, woran sie sich abarbeiten können.«
»O ja! Das wird ein Spaß!«
Die nächste Stunde arbeitete Ellie an ihrem Plan, während Peanut ihre Freunde und Nachbarn anrief. Um zehn waren sie fertig.
Ellie blickte auf den Vertrag, den sie entworfen hatte. Er war perfekt.
Ich ______ erkläre mich bereit, jede Information über das Wolfsmädchen absolut vertraulich zu behandeln. Ich schwöre, ich werde niemandem etwas von dem erzählen, was ich bei der Stadtversammlung im Oktober erfahren habe. Rain Valley kann sich auf mich verlassen.
________ (Unterschrift)
»Vor Gericht wirst du damit aber wahrscheinlich nicht durchkommen«, meinte Peanut und trat neben Ellie.
»Wer bist du denn? Perry Mason?«
»Nein, aber ich sehe mir so oft es geht Boston Legal und Law and Order an.«
Ellie verdrehte die Augen. »Es muss ja auch nicht juristisch bindend sein. Es reicht, wenn es danach aussieht. Was liebt diese Stadt mehr als alles andere?«
»Eine Parade?«
Der Punkt ging an Peanut. Ellie räumte ein: »Na gut, was liebt sie an zweiter Stelle?«
»Angebote a la ›Nimm-zwei-zahl-eins‹?«
»Ach was, den Tratsch natürlich«, beantwortete Ellie ihre eigene Frage, als sie sah, dass Peanut bis zum nächsten Morgen weiterraten konnte. »Und Geheimnisse.« Sie stand auf und holte ihre Jacke vom Haken. »Das einzige Problem ist Julia.«
»Warum das denn?«
»Ihr wird die Idee mit der Versammlung nicht gefallen.«
»Und weshalb nicht?«
»Du erinnerst dich doch wohl noch, wie es hier früher immer für sie war. Kein Mensch konnte was mit ihr anfangen. Dauernd hat sie die Nase in irgendein Buch gesteckt. Und mit niemandem geredet außer mit unserer Mom.«
»Aber das ist lange her. Jetzt ist es ihr bestimmt egal, was die Leute von ihr denken. Sie ist Psychotherapeutin, um Himmels willen.«
»Nein, es wird ihr ganz sicher was ausmachen«, widersprach Ellie seufzend. »Das war schon immer so.«
* * *
Er ist tief in grüner Dunkelheit. Über ihm rascheln die Blätter in der unsichtbaren Brise. Wolken verschleiern den silbernen Mond, sodass er nur einen schwachen Lichtschein abgibt. Vielleicht ist es eine Erinnerung.
Das Mädchen kauert auf einem Ast und beobachtet ihn. Sie sitzt so still, dass er sich fragt, wie sein Blick sie überhaupt gefunden hat.
Hey; flüstert er und streckt die Hand aus.
Lautlos lässt sie sich auf den Blätterteppich fallen. Auf allen vieren läuft sie davon.
Er findet sie
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