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Wohin das Herz uns trägt

Wohin das Herz uns trägt

Titel: Wohin das Herz uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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bisher zu erkennen. Wenigstens im Wasser musste sie ihr Spiegelbild schon einmal gesehen haben.
    »Das bist du , Schätzchen. Du. Sieh mal, die wunderschönen blaugrünen Augen. Die langen schwarzen Haare. Du siehst so hübsch aus in deinem Nachthemd.«
    Das Mädchen boxte sein Spiegelbild. Als ihre Knöchel unsanft auf das Glas trafen, jaulte sie laut auf.
    Julia kniete sich neben sie. Jetzt waren sie beide im Spiegel zu sehen, Seite an Seite, die Gesichter dicht beieinander. Das Mädchen war atemberaubend schön. Es erinnerte Julia an die junge Elizabeth Taylor. »Siehst du? Das bin ich. Julia. Und du.«
    Sie konnte es deutlich sehen, als das Mädchen zu verstehen begann.
    Ganz langsam berührte sie ihre Brust und machte einen Laut. Ihr Spiegelbild tat das Gleiche.
    »Hast du etwas gesagt? Vielleicht deinen Namen?«
    Aber das Mädchen streckte die Zunge heraus. Die nächste Dreiviertelstunde, in der Julia ein T-Shirt und eine Trainingshose anzog und sich die Zähne putzte, spielte das Kind vor dem Spiegel. Schließlich holte Julia ihr Notizbuch und ihre Digitalkamera aus dem Nebenzimmer, und als sie wieder ins Bad kam, war die Kleine gerade dabei, in die Hände zu klatschen und im Gleichklang mit ihrem Spiegelbild vor dem Spiegel auf und ab zu hüpfen.
    Sie machte ein paar Fotos - Nahaufnahmen vom Gesicht des Mädchens - und legte die Kamera anschließend beiseite. In ihr Notizbuch schrieb sie: Entdeckung des Selbst. Und dann dokumentierte sie jeden weiteren Augenblick.
    Die Stunden vergingen. Noch lange nachdem es dunkel geworden war und die Sterne herauskamen, starrte das Kind in den Spiegel.
    Schließlich konnte Julia den Stift nicht mehr halten, weil sie allmählich einen Schreibkrampf bekam. »Das reicht jetzt. Komm. Zeit fürs Bett.« Sie verließ das Bad, und als das Mädchen ihr nicht folgte, nahm sie eins der Bücher zur Hand. Da sie mit Der geheime Garten fertig waren, griff sie jetzt nach Alice im Wunderland.
    »Passend, oder nicht?«, bemerkte sie zu sich selbst. Es war ja sonst niemand im Zimmer, und auch als sie vorzulesen begann, war sie allein. »Alice saß neben ihrer großen Schwester im Gras und langweilte sich. Ein paarmal hatte sie in das Buch geschaut, das ihre Schwester las, aber es waren keine Bilder drin, und die Leute unterhielten sich nicht. Alice fragte sich: ›Wozu macht man eigentlich Bücher ohne Bilder und in denen die Leute nicht miteinander reden?‹«
    Plötzlich hörte das Hüpfen im Nebenzimmer auf.
    Julia schmunzelte in sich hinein und las unbeirrt weiter.
    Als das weiße Kaninchen auftauchte, kam das Mädchen aus dem Bad. In seinem hübschen weißen Nachthemd mit den rosa Schleifchen und mit den geflochtenen, gezähmten Haaren sah es aus wie ein x-beliebiges kleines Mädchen. Die einzige Spur von Wildheit lag in ihren Augen, die zu groß waren für ihr Gesicht und zu ernst für ihr Alter. Und die Julia fixierten, während sie ganz ruhig weiterlas.
    Das Mädchen kam zu ihr und schlängelte sich dicht an sie heran.
    Julia schaute sie an. »Hallo, Kleines. Magst du es, wenn ich vorlese?«
    Auf einmal schlug das Mädchen mit der Hand heftig auf das Buch.
    Vor Schreck konnte Julia nicht gleich reagieren. Es war das erste Mal, dass das Mädchen wirklich zu kommunizieren versuchte, und sie machte das ziemlich heftig.
    Die kleine Hand landete noch einmal auf dem Buch, und die blaugrünen Augen sahen Julia fest an. Dann berührte die Kleine ihre Brust.
    Mit dieser Bewegung hatte Julia im Bad ihren Namen und ihre Identität demonstriert.
    Wieder klopfte das Mädchen auf das Buch. Als Julia nicht reagierte, schlug sie noch einmal zu.
    Julia schloss das Buch. Auf dem Umschlag der alten, abgegriffenen Ausgabe war ein Bild von einer hübschen blonden Alice und einer großen, grell gekleideten Herzkönigin. Sie berührte das Bild des Mädchens. »Alice«, sagte sie und legte dann die Hand auf die Brust des kleinen Mädchens neben ihr. »Bist du das? Alice?«
    Das Mädchen grunzte, schlug das Buch wieder auf und klopfte auf eine Seite.
    Genau dort hatte Julia zu lesen aufgehört.
    Erstaunlich.
    Natürlich wusste sie nicht, ob das Mädchen nun auf den Namen oder das Vorlesen reagiert hatte, aber das war im Grunde gleichgültig. Warum auch immer - das Mädchen hatte endlich Kontakt mit dieser Welt aufgenommen. Fast hätte Julia vor Freude laut gelacht, so gut fühlte sie sich plötzlich.
    Das Mädchen schlug wieder auf das Buch.
    »Okay, okay, ich lese ja schon weiter, aber du heißt von jetzt

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