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Wohin das Herz uns trägt

Wohin das Herz uns trägt

Titel: Wohin das Herz uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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sich den Vorfall mit dem Traumfänger am Abend noch einmal anschauen. Vielleicht hatte sie ja etwas übersehen.
    Nachdem sie sich noch einmal vergewissert hatte, dass Alice schlief, verließ sie das Zimmer. Draußen im Korridor lagen die Hunde und schliefen ebenfalls. Julia stieg über sie hinweg und hob den Traumfänger auf.
    Es war ein schlecht gearbeitetes Ding, wie man es in den Souvenirläden fand. Nicht größer als eine Untertasse, der innere Kreis aus dünnen Zweigen - wie konnte so etwas Läppisches eine solche Angst auslösen? An ein paar verwobenen Fäden glitzerten ein paar billige Glasperlen. Vermutlich hing für gewöhnlich noch ein Schildchen daran, auf dem beschrieben wurde, welche Bedeutung ein Traumfänger für die Indianerstämme aus der Gegend hatte, die Quinalt und die Hoh.
    Welcher Zusammenhang bestand zwischen diesem Ding und Alice? War sie doch indianischer Herkunft? War das ein Teil des Puzzles? Oder hatte ihr nicht der Traumfänger als solcher Angst gemacht, sondern vielmehr einer seiner Bestandteile - die Perlen, die Zweige, der Bindfaden?
    Bindfaden. Schnur. Fesselspuren.
    Vielleicht war das die Verbindung. Die Schnur könnte Alice daran erinnert haben, dass man sie gefesselt hatte.
    Keiner außer Alice würde diese Frage beantworten können.
    In einer gewöhnlichen Therapie, die sich nach den Vorgaben von Zeit und Geld richtete, konnte es Monate dauern, bis ein Kind sich solchen Ängsten stellte. Oft sogar Jahre.
    Aber Alice war alles andere als ein gewöhnlicher Fall. Je länger sie in ihrer einsamen, isolierten Welt verweilte, desto unwahrscheinlicher wurde es, dass sie jemals wieder herauskam. Daher konnten sie sich nicht wirklich Zeit lassen. Julia musste eine Konfrontation zwischen den beiden Alices forcieren - dem Mädchen, das im Wald verloren gewesen war, und dem, das der »normalen« Welt zurückgegeben worden war. Diese beiden Hälften mussten zu einer einzigen Persönlichkeit zusammenfinden, sonst sah Alices Zukunft finster aus.
    Heiligte der Zweck wirklich die Mittel?
    Ihr blieb keine andere Wahl. Aber es würde ganz sicher kein Spaziergang werden.
    Sie ging ins Erdgeschoss, um ihre Schwester anzurufen. Fünfzehn Minuten später marschierten Ellie und Peanut durch die Haustür.
    »Hallo«, sagte Peanut, grinste breit und wedelte mit ihren leuchtend rosa Fingernägeln.
    Julia holte den Traumfänger heraus. »Kennt ihr das hier?«
    »Na klar, das ist ein Traumfänger«, antwortete Peanut und zog eine Plastiktüte mit Karottenstäbchen aus der Tasche. »Mein Sohn hatte mal einen am Bett hängen. Ich glaube, er hat ihn bei einem Schulausflug nach Neah Bay gekauft. Traumfänger sind eine indianische Tradition und sollen Kinder vor Albträumen schützen. Die schlechten Träume verfangen sich in dem Netz, die guten schlüpfen durch das Loch in der Mitte.« Sie grinste. »Bildungsfernsehen. Woche der indianischen Ureinwohner Amerikas.«
    »Warum willst du das denn wissen, Julia?«, fragte Ellie.
    »Alice hat sehr heftig auf das Ding reagiert, hat wieder mal geschnaubt, sich gekratzt und geschrien. Wie es aussah, hatte sie eine Höllenangst.«
    Ellie nahm den Traumfänger in die Hand und inspizierte ihn. »Meinst du, es hängt irgendwie mit den bösen Träumen zusammen?«
    »Nein, ich glaube, es ist etwas Persönlicheres. Vielleicht hing eins von den Dingern in einem Raum, wo sie misshandelt wurde, vielleicht hat ihr jemand wehgetan, der solche Sachen herstellt. Vielleicht hat die Schnur sie auch an ihre Fußfessel erinnert. Ich weiß es noch nicht. Aber irgendwas daran hat sie zumindest total aus der Fassung gebracht.«
    »Ich kümmere mich darum«, sagte Ellie. »Wir müssen jeden Hinweis nutzen. Ich schicke Earl ins Reservat, möglicherweise haben wir ja Glück.«
    »Ein bisschen Glück haben wir allmählich echt verdient«, stimmte Julia ihr zu und nahm ihre Tasche vom Sofa. »Wo kann ich in der Nähe solche Teile kaufen, möglichst billig?«
    »In Swain‘s General Store«, antwortete Peanut. »Die haben ein Regal mit Souvenirs.«
    »Wunderbar. Ich bin zurück, sobald ich kann.«
    »Du solltest eine Maske tragen«, brummte Peanut. Sie und Ellie wechselten besorgte Blicke.
    Julia runzelte die Stirn. »Was soll das heißen?«
    »Erinnerst du dich noch an Mort Elzick?«, fragte Ellie.
    Dann ging es also um kleinstädtischen Tratsch. Sie hätte es wissen müssen. »Nein.« Julia blickte auf ihre Armbanduhr. Sie wollte gern mit den Traumfängern zurück sein, wenn Alice von ihrem

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