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Wohin das Herz uns trägt

Wohin das Herz uns trägt

Titel: Wohin das Herz uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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staatlichen Psychiatrischen Klinik, und das sind meine Kollegen: Byron Barrett und Stanley Goldberg vom Labor für Verhaltensforschung an der University of Washington. Miss Wharton von der Jugendfürsorge kennen Sie ja bereits.«
    »Hallo«, sagte Julia.
    Ellie zog sich in den offenen Küchenbereich zurück und stellte sich dort an die Anrichte.
    Schweigend starrten alle sich an, bis Ellie sie schließlich aufforderte, Platz zu nehmen.
    Aber es blieb weiterhin zu still.
    Schließlich räusperte sich Simon Kletch. »Gerüchten zufolge handelt es sich bei dem Mädchen in Ihrer Obhut um ein sogenanntes Wildes Kind, oder zumindest einen ähnlich gelagerten Fall. Wir würden es gerne in Augenschein nehmen.« Er warf einen Blick zur Treppe, und seine Augen glitzerten aufgeregt.
    »Nein.«
    Julias klare Ablehnung schien Kletch zu überraschen. »Sie wissen doch, warum wir hier sind.« Seiner Stimme war der Übereifer nur allzu deutlich anzuhören.
    »Warum erklären Sie es mir nicht erst einmal?«
    »Sie kommen bei dem Kind offensichtlich nicht weiter, es sind keine Fortschritte zu verzeichnen.«
    »Das stimmt nicht. Tatsache ist vielmehr, dass wir sehr große Fortschritte machen. Inzwischen kann sie allein essen, sich anziehen und zur Toilette gehen. Außerdem beginnt sie zu kommunizieren - auf ihre Weise. Ich denke ...«
    »Sie sozialisieren das Mädchen also«, unterbrach der Verhaltensforscher sie scharf und starrte sie durch seine schmale ovale Brille an. Auf seiner Oberlippe schimmerte ein Schweißfilm. »Aber wir müssen es erst einmal untersuchen und dann ausführlich beobachten, Dr. Gates. So, wie sie ist. Seit Jahrzehnten hofft die Wissenschaft auf einen solchen Fall. Wenn sie lernt zu sprechen, kann sie eine Goldgrube an Information werden. Stellen Sie sich das vor! Wer sind wir ohne unsere Mitmenschen? Was ist die wahre Natur des Menschen? Geschieht der Spracherwerb instinktiv? Und wo liegt die Verbindung zwischen Sprache und Mensch? Erlauben Worte uns, zu träumen - zu denken oder ist es umgekehrt? All diese Fragen kann dieses Mädchen uns beantworten. Das müsste doch sogar für Sie einzusehen sein.«
    »Sogar für mich? Wie meinen Sie das?«, fragte Julia, obwohl sie die Antwort kannte.
    »Silverwood«, sagte Dr. Kletch nur.
    »Haben Sie etwa noch nie einen Patienten verloren?«, fuhr sie ihn an.
    »Aber natürlich. Das haben wir alle. Doch Sie haben in der Öffentlichkeit versagt. Ich werde derzeit von allen Seiten gedrängt, den Fall des Mädchens zu übernehmen.«
    »Nun, ich bin nicht nur ihre Therapeutin, sondern auch ihre Pflegemutter«, erklärte Julia ruhig, obwohl sie sich sehr zusammenreißen musste, Dr. Kletch nicht ins Gesicht zu sagen, wie widerlich sie ihn fand. Natürlich wollte er Alice »helfen« - aus Karrieregründen!
    »Dr. Kletch glaubt, dass dieses minderjährige Mädchen in eine therapeutische Einrichtung gehört«, mischte sich jetzt die Frau vom Jugendamt ein. »Wenn Sie uns nicht glaubhaft versichern können, dass Sie die Kleine zum Sprechen bringen und ihren Namen herausfinden, dann ...«
    »Ich werde sie zum Sprechen bringen«, fiel Julia ihr ins Wort.
    »Wir müssen sie beobachten«, meldete sich der Verhaltensforscher wieder zu Wort.
    »Und von ihr lernen«, ergänzte Dr. Kletch.
    Aber Julia stand auf. »Sie sind wie all die anderen Ärzte, die in der Vergangenheit etwas mit Kindern wie diesem zu tun hatten. Das Mädchen soll für Sie als Versuchstier herhalten, damit Sie eine wissenschaftliche Abhandlung über sie schreiben und berühmt werden können. Wenn Sie sie dann nicht mehr brauchen, kommt hoffentlich die nächste Sensation, und Sie können die Kleine vergessen. Die kann dann ruhig hinter Gittern in einem Heim aufwachsen, so mit Medikamenten vollgestopft, dass man sie nicht mehr erkennt. Aber das werde ich nicht zulassen. Sie ist mein Pflegekind und meine Patientin. Der Staat hat mich autorisiert, mich um sie zu kümmern, und genau das werde ich auch tun.« Sie rang sich ein dünnes Lächeln ab. »Vielen Dank für Ihr Interesse.«
    Einen Moment lang sagte keiner etwas. Dann wandte sich Julia an die Sozialarbeiterin. »Lassen Sie sich nicht von den Männern hier an der Nase herumführen, Miss Wharton. Ich bin diejenige, die sich um dieses Kind kümmert und der es am Herzen liegt.«
    Miss Wharton biss sich nervös auf die Unterlippe und sah erst die drei Männer, dann Julia an. »Bringen Sie das Kind zum Sprechen, Dr. Cates. Der Fall zieht viel Interesse auf sich. Unser

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